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Atommüll-Transport erreicht Gorleben

9. November 2010

Nach 92 Stunden hat der Castor-Transport mit 123 Tonnen hochradioaktivem Atommüll das Zwischenlager Gorleben erreicht. Zuvor hatte die Polizei auch auf der letzten Etappe Blockaden von Kernkraftgegnern geräumt.

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Greenpeace-Plakat (Foto: dapd)
Bild: dapd

Ein vermeintlicher Biertransporter wurde in der Nacht zum Dienstag (09.11.2010) zum Bremsklotz für die Castoren: Mit einer spektakulären Aktion versperrte die Umweltschutz-Organisation Greenpeace den Tiefladern mit der hoch radioaktiven Fracht den Weg ins Zwischenlager Gorleben.

Vor den Augen der Polizei waren am Montagabend mehrere Greenpeace-Aktivisten mit ihrem als Getränkelastwagen getarnten Fahrzeug vor die Ausfahrt des Verladebahnhofs Dannenberg gefahren. Zwei der Aktivisten waren mit einer komplizierten Methode am Lastwagen und am Boden festgemacht. Eine "Befreiungsaktion" war knifflig wegen der Verletzungsgefahr für die Umweltschützer. "Es ist ein kleiner Trick dabei. Es ist Beton und Stahl im Spiel", sagte ein Greenpeace-Sprecher in der Nacht. Die Polizei musste Experten mit Spezialwerkzeug anrücken lassen, um die Aktivisten aus dem Bierlaster zu holen. Das dauerte bis 6.15 Uhr am Morgen. Erst danach konnte der Lkw aus dem Weg geschafft werden.

Greenpeace-Blockade (Foto: dapd)
Ein Greenpeace-Aktivist in einem Lkw, der dem Castor-Transport den Weg versperrtBild: dapd

Im etwa 20 Kilometer entfernten Gorleben selbst stellten Atomkraftgegner der "Bäuerlichen Notgemeinschaft" am Montagabend eine 1,50 Meter hohe Betonpyramide auf der Transportstrecke ab. Dieses Hinderniss konnte die Polizei allerdings schon nach wenigen Stunden beseitigen: mit einem Hubwagen wurde die Pyramide angehoben und von der Straße gezogen.

Am Dienstagmorgen räumten die Einsatzkräfte dann die von tausenden Demonstranten besetzte Zufahrtstraße zum Zwischenlager.

Friedlich oder gewalttätig?

Castor-Behälter in Dannenberg (Foto: AP)
Ab Dannenberg müssen die Castoren auf der Straße nach Gorleben transportiert werdenBild: AP

Die Castor-Behälter, gestartet an der Wiederaufarbeitungsanlage La Hague, hatten am Montagmorgen nach mehr als 67-stündiger Zugfahrt durch Frankreich und Deutschland und nach diversen Blockaden die Verladestation in Dannenberg erreicht. Dort wurden die Behälter von der Bahn auf Tieflader verladen. Mit ihnen wurde der Atommüll über die letzte, rund 20 Kilometer lange Etappe ins Zwischenlager Gorleben transportiert.

Die Atomkraftgegner zeigten sich insgesamt mit ihren Aktionen zufrieden. Der Protest sei größtenteils friedlich gewesen. Allerdings hatte es am Wochenende auch gewalttätige Auseinandersetzungen gegeben. Vor Ort beklagten Vertreter der Aktion "Castor schottern", der Polizeieinsatz gegen das Aushöhlen des Gleisbetts habe rund 1000 Verletzte gefordert - 950 davon mit Augenreizungen durch Reizgas. Die Polizei sprach ihrerseits von massiven Angriffen einiger "extrem aggressiven Personengruppen". Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierte die Überlastung vieler Beamter. Teilweise hätten Einsatzkräfte 24 Stunden oder noch länger Dienst am Stück schieben müssen.

Notwendig, alternativlos?

Norbert Röttgen (Foto: dpa)
Verteidigt: Norbert RöttgenBild: picte

Auch der politische Streit über die Atompolitik ging unvermindert weiter. Mit dem Beschluss zur Verlängerung der Atomlaufzeiten habe die Bundesregierung einen bereits befriedeten gesellschaftlichen Großkonflikt neu entfacht, hielten SPD, Grüne und Linke der schwarz-gelben Koalition vor. Deren Vertreter warfen SPD und Grünen Heuchelei vor. So hätten diese während ihrer Regierungsverantwortung Castor-Transporte als notwendig bezeichnet und zur Besonnenheit aufgefordert. Nun aber stellten sie sich an die Spitze der Proteste. Bundesumweltminister Norbert Röttgen nannte die Entsorgung des Atommülls erneut eine alternativlose Notwendigkeit. Der Bundestag will am Mittwoch über die Demonstrationen gegen die Atommülltransporte ins Wendland diskutieren.

"Wer längere Laufzeiten für Atomkraftwerke beschließt, darf sich nicht über längere Laufzeiten für Castor-Transporte wundern", sagte Wolfgang Ehmke, Sprecher der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg. Ursprünglich sollte der Castor-Transport das Zwischenlager schon am Montagmorgen erreicht haben. Bereits vor der Ankunft in Gorleben ist klar: Der zwölfte Transport wird länger dauern alle elf bisherigen Transporte seit 1995.

"Balance halten"!

Norbert Lammert (Foto: AP)
Appelliert: Norbert LammertBild: AP

Bundestagspräsident Norbert Lammert rief Atomkraftgegner und Polizisten zur Mäßigung auf. In der "Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" (Dienstagsausgabe) appellierte er an alle Beteiligten, "die Balance im Auge zu behalten zwischen dem Demonstrationsrecht und den gesetzlich geregelten Notwendigkeiten sowie internationalen Verträgen der Zwischenlagerung atomarer Brennstoffe".

Autor: Christian Walz, Susanne Eickenfonder (dpa, dapd, afp, rtr)
Redaktion: Martin Schrader