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Axt-Attentäter von IS "angestachelt"

20. Juli 2016

Die deutschen Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass der Axt-Angreifer von Würzburg ein Einzeltäter war. Deutschland liege aber im Fokus des Terrorismus, warnte Innenminister de Maizière: "Die Lage ist ernst."

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Bundesinnenminister Thomas de Maiziere
Bild: picture-alliance/AP Photo/M. Schreiber

Bei dem Attentäter von Würzburg handelt es sich nach Angaben von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (Artikelbild) um einen Einzeltäter, der sich durch die Propaganda der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) "angestachelt" gefühlt hat. Das Bekennervideo enthalte keine Hinweise auf eine Anordnung des IS, sagte de Maizière in Berlin. "Es ist vielleicht auch ein Fall, der im Grenzgebiet zwischen Amoklauf und Terror liegt." Er sprach von einem "brutalen Akt wahlloser Gewalt".

Deutschland liege gleichwohl im Fokus des internationalen Terrorismus. "Die Lage ist ernst", sagte der Minister. Es müsse weiterhin mit Angriffen von Kleinstgruppen und radikalisierten Einzeltätern gerechnet werden.

Polizeibeamte durchsuchen am Dienstag das Gelände nahe dem Tatort nach Spuren (Foto: dpa)
Polizeibeamte durchsuchen am Dienstag das Gelände nahe dem Tatort nach SpurenBild: picture-alliance/dpa/K. J. Hildenbrand

"Die Hintergründe der Tat müssen weiterhin aufgeklärt werden", sagte der Minister. Er sprach sich für mehr Videoüberwachung, mehr Polizei und besseren Schutz der Polizeibeamten aus. Er betonte, der Staat tue alles, um Anschläge zu verhindern. "Aber eine Garantie gibt es trotzdem leider nicht."

Inzwischen hat die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen zum Axt-Attentat von Würzburg übernommen. Dabei ermittelt sie auch wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung, wie die Behörde in Karlsruhe mitteilte. Es soll demnach auch geklärt werden, ob weitere bislang unbekannte Tatbeteiligte oder Hintermänner in das Attentat eingebunden waren.

Zwei Menschen noch in Lebensgefahr

Der Täter hatte in einem Regionalzug bei Würzburg-Heidingsfeld vier Mitglieder einer Familie aus Hongkong verletzt. Auch eine Fußgängerin, der der Jugendliche auf seiner Flucht begegnete, kam schwer verletzt ins Krankenhaus. Kurze Zeit später wurde der junge Mann von Polizisten erschossen. Noch immer schweben zwei seiner Opfer in Lebensgefahr. Das teilte das Polizeipräsidium Unterfranken mit.

Der Attentäter von Würzburg in seinem Bekennervideo
Der Attentäter von Würzburg in seinem BekennervideoBild: picture-alliance/dpa/Amak

Nach bisherigen Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden handelte es sich bei dem Attentäter um einen 17-Jährigen aus Afghanistan. Daran gibt es inzwischen jedoch Zweifel, wie de Maizière bestätigte. Das ZDF hatte unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtet, dass die Polizei im Zimmer des Flüchtlings auch ein pakistanisches Dokument gefunden habe. Der Sender berichtete zudem unter Berufung auf Sprachexperten, dass der Täter in einem mutmaßlichen Bekennervideo die Sprache Pashtu mit eindeutig pakistanischer Aussprache spreche.

Falsche Identität?

Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, äußerte ebenfalls Zweifel an der bislang vermuteten Herkunft des Axt-Attentäters. Es sprächen gute Gründe dafür, dass er sich unter einer anderen Identität gemeldet habe, sagte Maaßen im ZDF-"Morgenmagazin". Dies sei allerdings verbreitet und spreche nicht unbedingt für einen terroristischen Hintergrund.

Auch der afghanische Botschafter in Deutschland, Hamid Sidig, äußerte erhebliche Zweifel an der afghanischen Identität des Angreifers. Sidig sagte der Deutschen Welle: "Die Zweifel an der afghanischen Staatsangehörigkeit entwickeln sich nun langsam in eine Tatsache. Er ist nicht aus Afghanistan und hat der Polizei zwei unterschiedliche Namen angegeben. Bei seiner Registrierung besaß er einen anderen Namen als den, der jetzt öffentlich wurde. Der afghanischen Botschaft in Berlin und den Konsulaten in Bonn und München war dieser junge Mann nicht bekannt. Er hat von uns also keinen Nachweis bekommen, dass er Afghane sei." Auch sein Name sei kein in Afghanistan gebräuchlicher Name. "Seine afghanische Identität steht also absolut in Frage", so Sidig.

De Maizière und das bayerische Innenministerium bestätigten die Echtheit eines Videos, in dem der 17-Jährige sich selbst als Kämpfer des IS bezeichnet. Wann sich der junge Mann radikalisierte und inwieweit er tatsächlich mit dem IS vernetzt war, ist bislang unklar. Den Sicherheitsbehörden war er nie aufgefallen. Das Bekennervideo war am Dienstag vom IS-Sprachrohr "Amak" im Internet veröffentlicht worden. "Im Namen Gottes, ich bin ein Soldat des IS und beginne eine heilige Operation in Deutschland", bekennt der junge Mann darin.

Der Regionalzug unmittelbar nach der Tat (Foto: AP)
Der Regionalzug unmittelbar nach der TatBild: picture-alliance/AP Photo/K.-J. Hildenbrand

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) bekräftigte angesichts der Bluttat die Forderung seiner Partei, den Zuzug von Flüchtlingen zu begrenzen. "Wir müssen dadurch dann in der Lage sein, uns mit denen, die da sind, denen, die auch wirklich fluchtberechtigt sind, dann auch intensiv zu befassen und alles dafür zu tun, dass die nicht derartig aus dem Ruder laufen", sagte Herrmann der ARD.

Warnung vor Generalverdacht

Verfassungsschutzpräsident Maaßen warnte vor einem Generalverdacht gegen Flüchtlinge. Der IS wolle mit derartigen Taten Schrecken und Angst verbreiten, sagte Maaßen. Die Menschen sollten glauben, "jeder Flüchtling könnte ein Terrorist sein und jeder Mensch mit dunkler Hautfarbe könnte eine Axt oder ein Messer dabei haben". Dem müsse man sich entgegenstellen. "Es ist nicht so, dass jeder Flüchtling ein Terrorist sein kann", sagte Maaßen. Es seien nur wenige Menschen eingeschleust worden und es hätten sich auch nur wenige radikalisiert.

Ähnlich äußerte sich Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU). "Die meisten Terroristen, die in den letzten Monaten in Europa Anschläge begangen haben, waren keine Flüchtlinge, sondern Menschen, die hier geboren und aufgewachsen sind", sagte er dem ZDF. Altmaier kündigte einen stärkeren Kampf gegen islamistische Propaganda im Internet an. Dazu sei er bereits im Gespräch mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch.

stu/gri/kle (afp, dpa)