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Außenminister Kasachstans: Deutschland versteht Probleme Zentralasiens am besten

24. Mai 2006

Am Rande einer Zentralasien-Konferenz in Berlin sprach DW-RADIO/Russisch mit dem kasachischen Außenminister Kosymschomart Tokajew über die Beziehungen seines Landes zu Deutschland, China und Usbekistan.

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Bild: DW

DW-RADIO/Russisch: Herr Tokajew, Sie haben die Gespräche mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier als erfolgreich bezeichnet. Über was haben Sie gesprochen?

Das Gespräch über eine ganze Reihe von Fragen, darunter über die künftige deutsche Präsidentschaft in der Europäischen Union, war sehr ergebnisreich und nützlich. Es ist kein Geheimnis, dass Deutschland in Westeuropa der Staat ist, der die Probleme Zentralasiens am besten versteht. Wir haben, ohne zu übertreiben, ganz besondere Beziehungen zu Deutschland. Es geht um eine neue EU-Strategie für Zentralasien, die auf Initiative Deutschlands erarbeitet wird. Wir haben angeboten, die Arbeit an diesem sehr wichtigen Dokument mit Vorschlägen nach Kräften zu unterstützen, die im Laufe des nächsten Monats dem Außenministerium der Bundesrepublik Deutschland vorgelegt werden sollen.

Was den Handel betrifft, so wächst er und hat bereits 3,5 Milliarden Dollar erreicht. Deutschland ist ein sehr wichtiger Investor in unserer Wirtschaft. Deutschland hat in Kasachstan etwa eine halbe Milliarde Euro investiert. Aber es ist auch sehr wichtig, dass Kasachstan jetzt beginnt, in die deutsche Wirtschaft zu investieren - etwa 600 Millionen Dollar. Das zeigt, dass die Möglichkeiten unserer Länder zunehmen, und wir haben festgestellt, dass es weitere Möglichkeiten gibt, die Zusammenarbeit auszubauen.

In den vergangenen Jahrzehnten sind viele ethnische Deutsche mit ihren Familienangehörigen aus Kasachstan nach Deutschland übergesiedelt. Außenminister Steinmeier nannte sie eine "Brücke" zwischen beiden Ländern. Haben Sie sich mit Vertretern der kasachischen Gemeinde oder mit kasachischen Bürgern in Deutschland getroffen?

Leider hatte ich nicht die Gelegenheit, mich mit Menschen zu treffen, die nach Deutschland übergesiedelt sind. Aber in unserer Botschaft in Berlin fand eine Sitzung der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft statt, an der die kasachischen Honorarkonsule in Deutschland und Vertreter der kasachischen Gemeinde teilgenommen haben, also Menschen, die einst aus Kasachstan nach Deutschland übergesiedelt sind. Sie sind in der Tat eine Brücke, das ist unsere gemeinsame Geschichte.

In der kasachischen Hauptstadt wird der Bau einer "chinesischen Stadt" geplant. Die Öffentlichkeit ist, was die heutige Rolle Chinas betrifft, gespalten. Wie will man damit umgehen?

China ist unser Nachbar. Das ist ein gewaltiger Staat, der sich schnell entwickelt und zu einem aktiven Spieler in der internationalen Arena wird. China wandelt sich zu einem globalen Staat. Das ist Tatsache und dies kann man nicht leugnen. Kasachstan hat nur einen Weg: das ist die Entwicklung einer gutnachbarlichen Zusammenarbeit mit diesem Land, auf der Grundlage unterzeichneter Dokumente. Uns ist die Berichtigung und Demarkation der gemeinsamen 1700 Kilometer langen Staatsgrenze gelungen. Praktisch alle Fragen, die auf der Tagesordnung stehen, werden erfolgreich gelöst, unter anderem im Rahmen des Komitees für Zusammenarbeit. China unterstützt unsere Initiative, eine Konferenz über vertrauensbildende Maßnahmen in Asien einzuberufen. Natürlich gibt es, was die Beziehungen zu China betrifft, auch Befürchtungen, sogar Ängste, aber man muss sagen, dass Kasachstan diesbezüglich keine Ausnahme ist. Über China wird in aller Welt viel diskutiert, auch in Südostasien oder in den USA. Ich denke, dass die sogenannte China-Town nicht gebaut wird. Wir wollen, dass Chinesen zu uns kommen, um Geschäfte zu machen, aber wir sind gegen illegale Einwanderer.

Ihr anderer Nachbar, Usbekistan, hat im vergangenen Jahr seine Außenpolitik drastisch geändert. Haben sich in diesem Zusammenhang auch Ihre bilateralen Beziehungen verändert?

Unsere Haltung hat sich nie geändert. Wir wollen gutnachbarliche Beziehungen zu diesem Land aufbauen und den Handel weiterentwickeln. Vor kurzem hielt sich der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew zu einem Besuch in Usbekistan auf. Wir haben praktisch alle Fragen erörtert, die sich auf die Zusammenarbeit unserer Länder beziehen. Eine andere Sache ist, dass sich die Wirtschaftsmodelle unserer Staaten unterscheiden. Kasachstan orientiert sich an der Marktwirtschaft und Usbekistan hält an dem zentralistischen Verwaltungssystem fest. Dennoch sind wir der Meinung, dass die Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit sehr groß sind, unsere Länder sind doch seit Jahrhunderten Nachbarn, unsere Völker sind verwandt.

Oft wird von einer Konkurrenz zwischen Usbekistan und Kasachstan gesprochen. Sehen Sie einen Wettbewerb?

Es gibt keine Rivalität. Jedes Land verfolgt eigene Interessen, jedes Land hat seine eigenen Entwicklungsstrategien. Diese Strategien unterscheiden sich teilweise von einander und das ist natürlich, denn 1991, nach dem Zerfall der Sowjetunion, haben wir den Langstreckenlauf an derselben Startlinie begonnen. Während dieser Zeit wurde deutlich, dass manche schneller laufen, anderen die Puste ausgeht und manche vielleicht Kraft sammeln, um durchs Ziel zu laufen. Jedenfalls sind alle GUS-Staaten verschieden, was das Wirtschaftspotential, den Stand der durchgeführten Reformen, die Strukturen des Wirtschaftsystems und natürlich die Sicht auf die geopolitische Lage außerhalb der GUS betrifft.

Das Gespräch führte Mikhail Bushuev
DW-RADIO/Russisch, 19.5.2006, Fokus Ost-Südost