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Korrupte Präsidenten adieu?

Angela Göpfert16. Februar 2007

Frankreichs Präsidenten müssen künftig das Parlament fürchten. Selbst von Korruptionsaffären gebeutelt, will Chirac die Verfassung ändern und eine Amtsenthebung des Präsidenten bei schweren Verfehlungen ermöglichen.

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Blick auf den westlichen Flügel von Versailles in der Dämmerung (Quelle: AP)
Abgestimmt wird im prachtvollen Ambiente von Schloss VersaillesBild: AP

Gold, Stuck, Spiegel und edle Stoffe im Überfluss: Die verspielte Architektur von Schloss Versailles bietet am Montag (19.2.) erneut die prunkvolle Kulisse für großes französisches Politkino: Nur wenige Wochen vor dem Ende seiner Amtszeit hat Präsident Jacques Chirac das Parlament als so genannten Kongress nach Versailles einberufen, um im Königsschloss drei Verfassungsänderungen zu beschließen: Unter anderem soll die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Präsidenten klar geregelt werden. Chiracs Nachfolgern könnte bei schweren Verfehlungen gegen die Amtspflichten eine Amtsenthebung durch das Parlament drohen.

Erster Adressat der Verfassungsänderung: Chirac selbst

Lächelnder Chirac mit Gattin Bernadette nach seiner Wiederwahl als Pariser Bürgermeister 1989
Chirac freut sich 1989 über seine Wiederwahl als Pariser BürgermeisterBild: picture-alliance/ dpa

Damit will Chirac ein Wahlversprechen von 2002 einlösen. Der Zeitpunkt ist geschickt gewählt: "Es war Chirac lieber, dass diese Verfassungsänderung erst zum Ende seines Mandats beschlossen wird." Denn eigentlich "wäre er der erste gewesen, der eine solche Verfassungsänderung zu spüren bekommt", betont Alain Howiller, ehemaliger Chefredakteur der "Dernières Nouvelles d'Alsace" und jetziger Präsident des Instituts für politische Studien in Straßburg, im Gespräch mit DW-WORLD.DE.

Schließlich hängen Chirac noch aus seiner Zeit als Pariser Bürgermeister (1977 bis 1995) Vorwürfe um Vetternwirtschaft, Korruption und illegale Parteienfinanzierung nach. In den Ermittlungen zu den Affären, unter anderem um Schmiergeldzahlungen beim sozialen Wohnungsbau, ließ sich Chirac unter Hinweis auf sein Amt bislang noch nicht einmal als Zeuge vernehmen.

Während sich Chirac-Vertraute wie Ex-Premier Alain Juppé strafrechtlich verantworten mussten, hat sich für den Staatschef selbst die Drohkulisse weitgehend in Luft aufgelöst. Zumal er erst im September einen seiner Ex-Berater auf einen strategischen Posten beförderte: Laurent Le Mesle leitet nun die Pariser Staatsanwaltschaft. Er wäre damit für eine mögliche juristische Verfolgung Chiracs verantwortlich .

Genervte Abgeordnete

Somit droht Chirac, dessen Amtszeit im Mai endet, nach Meinung von Howiller in den verbleibenden Monaten keine juristische Unbill mehr. "Das sind doch alles alte Geschichten, das sind Affären von vor fünf, sechs Jahren", beschwichtigt der Kenner der französischen Politszene.

Zudem sind die Hürden für einen Sturm auf den Elysée-Palast enorm hoch: Ursprünglich waren einfache Mehrheiten vorgesehen; die Regierungspartei UMP führte jedoch Quoten von 60 Prozent ein, die in Senat und Nationalversammlung erreicht werden müssen, um eine Amtsenthebung einleiten zu können. Dieselbe Quote soll erforderlich sein, um anschließend eine Absetzung zu beschließen. Der Pariser UMP-Abgeordnete Claude Goasguen meint: "Man geht uns mit einem Text auf die Nerven, der darauf ausgelegt ist, niemals genutzt zu werden."

Amtsenthebung für Sozialisten schwerer machbar

Dabei werden vor allem die Sozialisten tendenziell benachteiligt. Das hob Ex-Justizminister Robert Badinter, einer der höchstgeachteten Juristen des Landes, hervor. Denn im Senat werde es aus strukturellen Gründen stets eine rechte Mehrheit geben, sagte der Sozialist. Ein rechter Staatschef müsse folglich gar keine Amtsenthebung fürchten - ein linker Präsident dagegen schon.

Nicht nur deswegen wollen sich die Sozialisten, allen voran Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal, am Montag bei der Abstimmung über die Verfassungsänderung enthalten. Zumal ihnen der Entwurf nicht weit genug geht. Sollte Royal bei der Präsidentschaftswahl siegen, will sie deshalb den Verfassungstext erneut ändern: Dann würde schon eine einfache Mehrheit in beiden Parlamentskammern ausreichen, um die Immunität des Präsidenten aufzuheben.

VI. Republik schon zum Greifen nahe?

Doch die Verfassungspläne der Sozialisten gehen noch viel weiter: So will Royal, wie auch der Kandidat der Zentrumspartei UDF, François Bayrou, den Senat nach Vorbild des deutschen Bundesrates reformieren. Denn würde der Senat von den Regionen gewählt, wäre den Sozialisten eine Stimmenmehrheit in der zweiten Kammer so gut wie sicher - und damit auch Amtsenthebungsverfahren gegen spätere konservative Präsidenten leichter durchsetzbar.

Auch Royals konservativer Konkurrent im Rennen um das Präsidentschaftsamt, Innenminister Nicolas Sarkozy, will die französische Verfassung umfassend ändern. Er plant, den Präsidenten noch mehr Befugnisse zu geben und den Premierminister zum bloßen Verwalter zu degradieren.

Angesichts der hochtrabenden Pläne von Sarkozy und Royal, den beiden wohl aussichtsreichsten Kandidaten auf dem Weg in den Elysée-Palast, ist der Experte für französische Innenpolitik, Howiller, überzeugt: "Nach den Wahlen werden wir eine sechste Republik erleben."