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Reaktionen auf den Tod von Yaşar Kemal

Thomas Seibert / Istanbul1. März 2015

Sein Leben lang hat der türkische Schriftsteller Yaşar Kemal für Gerechtigkeit in seiner Heimat gekämpft. Nach seinem Tod bekunden die Parteien ihre Achtung vor dessen Lebenswerk - politischen Streit gibt es trotzdem.

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Yasar Kemal Schriftsteller aus der Türkei Archiv 2005
Bild: AFP/Getty Images/C. Turkel

Der im Alter von 92 Jahren gestorbene Yaşar Kemal stand in seinem Leben mehrmals vor Gericht und bezog zuletzt bei den regierungsfeindlichen Gezi-Protesten des Jahres 2013 gegen die Mächtigen in Ankara Stellung. Und doch würdigte die Regierung den kurdischstämmigen Schriftsteller als mächtige Stimme des Landes und als Vorkämpfer für eine Aussöhnung von Türken und Kurden.

"Wir hoffen, dass unsere Verbundenheit ihn erfreut hätte"

Politiker und Medien wiesen auf die Tatsache hin, dass Kemal ausgerechnet an jenem Tag aus dem Leben schied, an dem der türkisch-kurdische Friedensprozess mit einem Appell des Rebellenführers Abdullah Öcalan zur Entwaffnung der Guerilla-Gruppe PKK einen neuen Meilenstein erreichte. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu erklärte, zwar sei Kemal gestorben, bevor der Friedensprozess vollendet werden konnte. Doch er hoffe, dass sich Kemal an der "Einheit, Verbundenheit und Brüderlichkeit" von Türken und Kurden erfreut hätte.

Porträt des türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu (Foto:dpa)
Sieht Kemal als Vorkämpfer für eine Aussöhnung zwischen Türken und Kurden: Ministerpräsident DavutogluBild: picture-alliance/dpa

Kulturminister Ömer Celik sprach vom "sehr großen Schmerz" über den Verlust eines der wichtigsten Schriftsteller des Landes. Kemal sei ein "gemeinsamer Wert der ganzen Türkei" gewesen. Selbst der Chef der türkischen Nationalistenpartei MHP, Devlet Bahceli, der sonst nur wenig für kurdisch geprägte Kritik am Staat übrig hat, würdigte Kemal als "Meister" und "Giganten".

"Stolz der kurdischen Nation"

Während Nationalisten und Regierung die Trauer des gesamten Landes über Kemals Tod betonten, schimmerte in der Reaktion der Kurdenpartei HDP durch, dass die Regierungsgegner in der Türkei das Erbe des Autors ganz anders verstehen. Das Werk des Verstorbenen "wird eine Quelle der Inspiration für den Kampf für menschliche Werte, Frieden und Gerechtigkeit bleiben", erklärte die HDP. Der Musiker und Intellektuelle Zülfü Livanelli erinnerte daran, dass Kemal immer gegen eine Spaltung des Landes zwischen Türken und Kurden eingetreten sei.

Die Tatsache, dass Kemal aus dem Kurdengebiet stammte und sich in seinen Büchern mit der Unterdrückung der Menschen dort auseinandersetzte, brachte ihm viel Lob von kurdischer Seite ein. So nannte die irakisch-kurdische Nachrichtenplattform Rudaw den Schriftsteller den "Stolz der kurdischen Nation".

Staatstrauer für einen Rebellen?

Regierungsgegner forderten zudem, die türkische Regierung solle eine Staatstrauer für Kemal ausrufen. Kürzlich hatte Ankara nach dem Tod des saudischen Königs Abdullah eine dreitägige Trauer ausgerufen und die Fahnen im ganzen Land auf Halbmast setzen lassen. Dieser Schritt war vielfach kritisiert worden - nun verlangen Kritiker wie der reform-islamische Intellektuelle Ihsan Eliacik, die Türkei solle nicht den saudischen König mit einer Staatstrauer ehren, sondern ihren Meister-Schriftsteller Kemal. Eine entsprechende Initiative auf Twitter fand viele Unterstützer, doch eine Reaktion der Regierung auf die Forderung lag zunächst nicht vor.

Porträt Staatspräsident Erdogan (Foto:AFP)
Wird voraussichtlich nicht an der Beisetzung von Kemal teilnehmen: Staatspräsident ErdoganBild: Stringer/AFP/Getty Images

Die für diesen Montag in Istanbul geplante Beisetzung Kemals könnte zur Bühne von regierungskritischen Protesten werden. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu ließ seine Teilnahme an der Trauerfeier ankündigen, während Regierungsgegner auf Twitter Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan aufforderten, sich bei der Beisetzung bloß nicht blicken zu lassen. Die Chancen für eine Teilnahme Erdogans sind aber ohnehin gering: Der Präsident besucht derzeit Saudi-Arabien.