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Auch Präsident von Thüringens Verfassungsschutz tritt ab

3. Juli 2012

Es ist die zweite Amtsaufgabe innerhalb von zwei Tagen wegen der Pannen bei der Verfolgung der Zwickauer Neonazi-Terrorzelle. Bundesinnenminister Friedrich denkt nun über eine Reform des Verfassungsschutzes nach.

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Der Thüringer Verfassungsschutz-Präsident Thomas Sippel (Foto: picture-alliance/dpa)
Bild: picture-alliance/dpa

Der Thüringer Verfassungsschutzpräsident Thomas Sippel werde in den einstweiligen Ruhestand versetzt, teilte Landesinnenminister Jörg Geibert (CDU) in Erfurt mit. Erst am Montag hatte der Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, seinen Rückzug zum 31. Juli angekündigt. Sippel und er hätten sich in einem Gespräch auf den Amtsverzicht verständigt, sagte Geibert: "Der Verfassungsschutzpräsident hat nicht mehr das Vertrauen des Parlaments."

Sippel, der das Amt seit November 2000 führte, stand zuletzt wegen seiner Informationspolitik zur "Operation Rennsteig" bei der Verfolgung des Neonazi-Trios bei den Landtagsabgeordneten stark in der Kritik. Bei der geheimen Aktion ging es zwischen den Jahren 1997 und 2003 um den Einsatz von V-Leuten im Umfeld des Thüringer Heimatschutzes, dem früher auch das Neonazi-Trio aus Zwickau angehörte.

FDP sieht auch BKA-Chef in der Verantwortung

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte im Deutschlandfunk, die Fehler des Verfassungsschutzes dürften nicht ohne Konsequenzen bleiben. Nach dem Ausscheiden Fromms "werden wir ganz in Ruhe über Reformen oder über Veränderungen beim Verfassungsschutz rede". Die FDP dringt auf einen Umbau der kompletten Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Vor wenigen Tagen war bekanntgeworden, dass Mitarbeiter im Bundesamt für Verfassungsschutz im November 2011 Akten über die Neonazi-Szene zerschreddert hatten, nachdem die Zwickauer Terror-Zelle - der sogenannte "Nationalsozialistische Untergrund" (NSU) - aufgeflogen war.

Der Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA), Jörg Ziercke in der vergangenen Woche kurz vor seiner Anhörung im Neonazi-Untersuchungsausschuss des Bundestages (Foto: picture alliance/dpa)
BKA-Chef Ziercke in der vergangenen Woche kurz vor seiner Anhörung im Neonazi-UntersuchungsausschussBild: picture alliance / dpa

Der FDP-Innenexperte Manuel Höferlin sieht auch den Chef des Bundeskriminalamts, Jörg Ziercke, in der Verantwortung. "Der Rückzug Fromms reicht nicht aus. Aus dem Versagen der Sicherheitsbehörden müssen weitere personelle Konsequenzen folgen", sagte Höferlin der "Bild"-Zeitung. Das betreffe insbesondere Ziercke.

Abgeordnete erfahren Klarnamen von V-Leuten

Der NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages kam am Dienstag erneut zusammen.Dabei wurde eine ungewöhnliche Maßnahme des Bundesamtes für Verfassungsschutz bekannt: Am Mittwoch sollen die Bundestagsabgeordneten vollen Einblick in die Akten erhalten, die von der Vernichtungsaktion ausgenommen waren. Auch sie enthalten Informationen über die Thüringer Neonaziszene vor rund zehn Jahren. Die Szene also, aus der das mutmaßliche Mördertrio stammt. Besonders brisant: Die Abgeordneten dürfen dabei auch die Klarnamen von Spitzeln des Verfassungsschutzes, sogenannten V-Leuten, lesen. Solche Namen wurden in der Vergangenheit mit allen Mitteln geheim gehalten. „Es ist völlig unüblich, dass der Verfassungsschutz Einsicht in Klarnamen gewährleistet. Das geht weit über meine Forderungen hinaus“, begrüßt der CDU-Politiker Clemens Binninger die Maßnahme.

Die Ausschussmitglieder wollen jetzt nachprüfen, ob durch die Aktenvernichtung mögliche Verstrickungen des Verfassungsschutzes in die Neonaziszene vertuscht werden sollten oder ob es sich bei der Vernichtung ganz einfach um Schlampigkeit handelt.

Mit Spannung wird in Berlin auch die kommende Sitzung des Untersuchungsausschusses zur rechtsextremistischen Mordserie erwartet. In der geht es am Donnerstag um das Versagen der Geheimdienste. Wichtigster Zeuge: Heinz Fromm, (noch) amtierender Präsident des deutschen Verfassungsschutzes.

sti/Hans Pfeifer (dapd, dpa, afp)