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Der Virenpapst

6. Juli 2010

Den Zustand des Internets bezeichnet Jewgenij Kaspersky als kriminalisiert. Viren-Attacken terrorisierten Heimanwender, Konzerne und Institutionen. Kaspersky ist Chef des gleichnamigen Anti-Virenforschungsinstituts.

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Virenpapst Jewgenij Kaspersky (Foto: picture-alliance/dpa)
Virenpapst Jewgenij KasperskyBild: picture-alliance/dpa

Moskau im Frühsommer: Wir sind auf dem Weg vom Flughafen zu Kaspersky Lab, dem führenden Antiviren-Unternehmen Russlands. Kaum ein anderer kennt sich so gut mit Trojanischen Pferden, Würmern, Hoaxen und Hackern aus wie Firmengründer Jewgenij Kaspersky. Die Fangemeinde nennt ihn bewundernd den "Virenpapst". Wir treffen den bekennenden Kettenraucher im Konferenzraum eines Hotels. Lachend sitzt Kaspersky uns in T-Shirt und Bluejeans gegenüber. Begeistert, witzig und mit Lust an Geschichten erzählt er von seiner Jugendliebe: "Mit zehn, zwölf Jahren hatte ich eine Leidenschaft für mathematische Aufgaben und Formeln."

Eine russische Karriere

Hoher Besuch bei Kaspersky Lab in Moskau: Russlands Präsident Medwedew (Foto: AP)
Hoher Besuch bei Kaspersky: Russlands Präsident MedwedewBild: AP

1965 im russischen Noworossijsk geboren, absolvierte Kaspersky seine Ausbildung zunächst am Institut für Kryptographie, Kommunikation und Informationswesen des gefürchteten Geheimdienstes KGB. Ende der achtziger Jahre entschlüsselte er seinen ersten Virus und ist seitdem ein leidenschaftlicher Virenforscher. "Geschichte und Literatur mochte ich nicht", resümiert Kaspersky. "Ich war damals undiszipliniert, ein Hooligan." Und er fügt schnell hinzu, dass er nie für den KGB gearbeitet habe, nur für das Verteidigungsministerium. Ob er noch heute für das Verteidigungsministerium arbeiten würde, lässt er offen.

Aus dem jungenhaften Grenzgänger, der Computerviren sammelte wie andere Fußballbilder oder Briefmarken, ist nach dem Ende des Kalten Krieges ein erfolgreicher Geschäftsmann geworden. 1997 gründete er zusammen mit seiner damaligen Frau Natalja die Firma Kaspersky Lab. Die dort entwickelte Software, die Computer gegen Viren, Würmer und Hacker-Angriffe schützen soll, landet in den Produkttests der Fachzeitschriften meist auf den vorderen Plätzen. Rund 550 Mitarbeiter in elf Niederlassungen sind heute in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und den USA für das Unternehmen tätig. US-amerikanische Konzerne zählen ebenso zu Kasperskys Kunden wie mittelständische Firmen.

Cyberkriminalität nimmt zu

Eine Silhouette vor einem Computer, auf dem ein Wurm sich ausbreitet (Foto: picture-alliance/dpa)
Eine wachsende Bedrohung: Computerviren und WürmerBild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Unternehmen wie Kaspersky Lab, die Antivirensoftware und andere Sicherheitssoftware entwickeln, sind gefragter denn je. Das habe auch mit den Veränderungen der Internetkriminalität zu tun, erklärt Kaspersky: "Als das Internet vor 15 Jahren im Embryonalzustand war, konnte man dort praktisch kein Geld verdienen." Mit der Ausbreitung des Internets aber kam auch eine neue Generation von Virenautoren. Jugendliche Halbstarke, die die Welt verändern oder einfach nur ihren Spaß haben wollten, wurden abgelöst von kriminellen Gruppen. Kaspersky bilanziert: "90 Prozent aller Trojaner-Programme werden geschrieben, um auf illegale Weise an Bank- und Personeninformationen zu kommen." Das arbeitsteilig organisierte Verbrechen im Internet nehme immer mehr zu: Vor allem Mobiltelefone der neuesten Generation, sogenannte Smartphones, würden verstärkt angegriffen. Kasperskys berunruhigendes Fazit: Solange es Computer gibt, wird es auch Hacker geben.

Die meisten Viren stammen heute aus China, Brasilien und Russland, seltener aus westlichen Industrieländern. Da ist sich Kaspersky sicher und für ihn hat das vor allem zwei Gründe: Erstens sei die Kriminalität in einem ökonomisch intakten System grundsätzlich geringer und zweitens würde die jeweilige Mentalität eine entscheidende Rolle spielen: "In Japan werden keine Viren geschrieben. Japaner begehen keine Internet-Verbrechen, für sie wäre das eine Schande."

Internet und Terrorismus

Porträt von Jewgenij Kaspersky (Foto: picture-alliance/dpa)
Immer auf der Hut: Jewgenij KasperskyBild: picture-alliance/dpa

Kaspersky widerspricht der These, Antiviren-Unternehmen würden aus finanziellem Eigeninteresse Panikmache betreiben. Eher sei die Lage noch dramatischer: Kriminelle virtuelle Netze ließen sich auch für terroristische Anschläge nutzen. Auch kriegerische Auseinandersetzungen im Cyberspace schließt Kasparsky nicht aus. Wie alle Mitarbeiter bei Kaspersky Lab ist auch der Chef des Unternehmens in ständiger Alarmbereitschaft: "Die Arbeit mit Computerviren macht aus uns allen Paranoiker. Was die Sicherheit angeht, da bin ich ein Paranoiker."

Autor: Michael Marek
Redaktion: Matthias von Hein / Julia Kuckelkorn

Zum Weiterlesen:
Eugene Kaspersky: Malware. Von Viren, Würmern, Hackern und Trojanern und wie man sich vor ihnen schützt. Hanser Verlag, München 2008.