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Die Dufourspitze läd erfahrene Kletterer ein

Andreas Burman6. März 2009

An der Grenze zwischen Italien und der Schweiz liegt auf 4634 Metern der höchste Punkt der Schweiz - die Dufourspitze. Andreas Burmann hat die Bergspitze in einzigartiger Naturkulisse erklommen

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Dufourspitze (März 2009/Andreas Burman)
Die Dufourspitze, rechts Rifugio Regina MargheritaBild: DW / Burman

Es sei schon ein bisschen hart, um zwei Uhr aufzustehen, aber ein „super Erlebnis“ sei das Loswandern dann schon, bemerkt René, der sich in unserer Gruppe auf Hochtour im Monta Rosa-Massiv befindet. Mit dieser Einstellung bringt der 43-Jährige genau das mit, was Bergführer Christian Buchmann für eine solche Tour voraussetzt: eine gute physische und psychische Kondition. Außerdem müsse man gewillt sein, auch mal dem Schmerz nahe zu sein, wenn man kalte Finger bekommt oder eine kalte Nasenspitze. “So was muss man akzeptieren“, sagt er.

Akzeptieren muss man auch die knapp 700 Franken Bergführer-Honorar für Christian, die wir bereits im „Alpin Center Zermatt“ beglichen haben. Außerdem haben wir für 66 Franken ein Retour-Ticket der Gornergratbahn gekauft und sind bis auf 2900 Meter gefahren. Nach einer zweieinhalbstündigen Wanderung mit langer Querung des Gornergletschers haben wir unseren Startpunkt, die Monte Rosa Hütte, erreicht. Die rund 70 Franken für Übernachtung und Essen bezahlen wir bei der Hüttenwirtin zusammen mit den Getränken nach der Rückkehr vom Berg - problemlos per Kreditkarte.


Kurze Nacht und langer Weg

Abstiegsspur (März 2009/Andreas Burman)
Langer Weg an die Spitze - und zurückBild: DW / Burman

Nach einer kurzen Nacht auf einem Mattenlager mit rund 30 anderen Wanderern machen wir uns zu dritt um viertel vor drei am Morgen von der Monte Rosa Hütte an den Aufstieg. Die Temperatur liegt bei fünf Grad.

Holprig geht es im Schein der Stirnlampen über Felsplatten und loses Gestein durch die Nacht. Nach kleineren Schneefeldern erreichen wir nach eineinhalb Stunden den Gletscher. Während einer kurzen Pause legen wir die Hüftgurte an, ziehen Gamaschen über die Stiefel, befestigen die Steigeisen und seilen uns an. René ist bisher zufrieden und er hofft, dass es dabei bleibt.


"Eine mystische Erfahrung“

Bergführer Christian und René (März 2009/Andreas Burman)
Bergführer Christian und RenéBild: DW / Burman

Bald schon bietet sich uns ein unwirklicher Anblick. Still, geheimnisvoll glänzt das Licht des Halbmondes auf den unterschiedlichen Stufen und Eistürmen des riesigen Gletschers. Etwas voraus blinken die kleinen Lichter anderer Seilschaften auf. Und über allem dehnt sich der sternenklare Himmel. René ist völlig beeindruckt: "Es ist unglaublich schön - eine mystische Erfahrung. Ich kann gar nicht genug davon bekommen.“

Während wir durch Schneetäler und über Anhöhen aufsteigen, zeigt sich allmählich im Osten das erste Licht des heraufziehenden Tages. Wie bizarre Schattenrisse zeichnen sich die Gipfel davor scharf ab. Als die Sonne sie übersteigt, lässt sie die weite Gebirgsarena in kräftigen Rot-, Orange- und Gelbtöne erglühen.


Der anspruchsvolle Teil der Tour

Blick auf Dufourgrat vom Gipfel (März 2009/Andreas Burman)
Blick auf Dufourgrat vom GipfelBild: DW / Burman

Auf etwa 4000 Metern verlangt uns weicher Schnee viel Kraft ab. Es ist, als ob man eine Sanddüne hinaufläuft. Schließlich stehen wir 200 Meter höher auf einem Sattel, an dem nun der anspruchsvollste Teil des Aufstiegs beginnt: der Dufourgrat. Christian verkürzt das Sicherungsseil. Ab jetzt kommt es auf volle Konzentration und Trittsicherheit an. Unser Bergführer wählt klare Worte: "Am Berg bin ich der Chef und wer das nicht akzeptieren kann, der kann nicht mit einem Bergführer in die Berge gehen.“ Bergführer seien Spezialisten auf ihrem Gebiet, denen die Menschen ihr Leben anvertrauen. Wir folgen.

Die Luft ist eisig kalt. Fest umfasst die Hand den Eispickel. Direkt auf dem fußbreiten Kamm des beiderseits steil abfallenden Grates geht es weiter. Der Blick in die Tiefe ist atemberaubend. Christian geht voraus, prüft die schmale Schneedecke, sichert das Seil, wann immer es möglich ist, an einem Fels. Im ständigen Wechsel geht es über Schnee und Granit, wir klettern über oder um Felsblöcke, suchen mit den Zacken der Steigeisen Halt am Gestein. Plötzlich sind wir am Ziel. Auf einer Stelle, die gerade Platz für drei bis vier Leute bietet, dreht sich Christian um und reicht uns die Hand: "Herzlichen Glückwunsch! 4634 Meter, ihr seid auf der Dufourspitze.“


"Welches Erlebnis, welches Gefühl“

Abstieg, im Hintergrund Bergketten (März 2009/Andreas Burman)
Traumhafte Kulisse auch beim AbstiegBild: DW / Burman

Nach sechseinviertel Stunden und 1800 Höhenmetern krönt ein traumhafter Rundblick vom zweithöchsten Berg der Alpen das erreichte Ziel. Im Morgendunst staffeln sich die Gebirgszüge des Piemont, das schmale Band des Lago Maggiore erstreckt sich vor uns. Ganz in der Morgensonne steht das 160 Meter niedrigere Matterhorn. In der Ferne thront der Mont Blanc. René ist trotz der Strapazen glücklich: "Es ist wunderbar. Aber ich habe gedacht, es sei ein bisschen harmloser“, meint er. "Es war eine gute Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Es ist wirklich super. Unglaublich schön.“

Auch Bergführer Christian ist zufrieden, auch wenn er noch bemerken muss, dass der Grat jetzt, mit dem vielen Schnee, einfach gewesen ist: "Wenn er weniger Schnee drin hat, ist er ein Stück schwerer zu erklettern“, sagt er. Wir stehen auf dem Gipfel und sind alle zufrieden. Jetzt geht es an den Abstieg.