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Macau will unabhängiger vom Glückspiel werden

21. Dezember 2009

Die südchinesische Sonderverwaltungszone steckt in einem Dilemma: Sie ist fast vollständig vom Glücksspiel abhängig und verdient damit viel Geld. Aber Peking fordert mehr wirtschaftliche Vielfalt.

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"Casino Lisboa" in MacauBild: dpa/PA

Gnadenlos und mit meisterhaften akrobatischen Einlagen bearbeitet Si Me ihre riesige, rote Trommel. Die junge Chinesin schwitzt fürchterlich während der halbstündigen Darbietung. Touristen und Casinobesucher bleiben stehen, machen Fotos. Wegen der grossen Konkurrenz müssen die Casinos zusätzliche Attraktionen bieten – gern mit billigeren Künstlern aus der Volksrepublik China. Si Me ist aus dem benachbarten Guang Zhou nach Macau gekommen. Mit ihren fünf Kolleginnen haut die 24jährige vor dem Starworld-Casino mächtig auf die Pauke.

„Wir spielen ‚chung gou long‘, das bedeutet ‚chinesischer Drache‘. Unsere Gruppe heißt ‚rote Trommel‘. Wir sind sechs Monate hier und geben sechs Vorstellungen täglich", sagt sie. In Macau verdient Si Me mit rund 1000 Euro im Monat fünfmal so viel wie zu Hause. Und Macau findet sie einfach toll – voller grüner Parks und freundlicher Menschen.

China Spielcasino in Macau
Eröffnung des "Wynn Macau Casino" im Herbst 2006Bild: AP

Wirtschaft abhängig von Casinos

Doch die Zockerindustrie, die Quelle des Reichtums von Macau, hat auch ihre Nachteile. Zwar locken der Glücksspiel- und der damit verbundene Bauboom immer mehr Arbeiter aus der Volksrepublik China und von den Philippinen in die kleine Sonderverwaltungszone. Aber die Abhängigkeit von den Casinos verursacht den Regierenden auch verstärkt Kopfzerbrechen, meint der Historiker und Philosoph Gary Ngai: "Immer mehr Casinos, das ist der einfachste Weg. Schnelles Geld", kritisiert er.

Doch genau diese Mentalität müsse sich ändern. Fast 90 Prozent der Steuereinnahmen Macaus kommen aus dem Glücksspiel, das sei höchst ungesund. "Unsere Wirtschaft ist nicht ausgewogen", erklärt Gary Ngai, " und sogar die Regierung in Peking hat immer wieder betont, dass wir diversifizieren müssen. Peking sagt immer wieder, dass wir nicht nur auf die Casinos bauen dürfen.“

Brücke zwischen China und portugiesischsprachigen Ländern

BdT Casino Macao
Spieltische im "Grand Lisboa Casino"Bild: AP

Denn einerseits verspielen die Chinesen zu viel Geld in Macau, was schlecht für die Handelsbilanz der Volksrepublik ist. Und andererseits soll Macau – so fordert die Zentralregierung - aufgrund seiner historischen Verbindung zur ehemaligen Kolonialmacht Portugal eine Drehscheibe zwischen China und den portugiesischsprachigen Ländern der Welt werden. Peking drängt auf den großen brasilianischen Markt und will die reichen Bodenschätze von Angola und Mosambik. Wer Portugiesisch spricht, kann in Macau viel Geld verdienen.

Portugiesischkurse an den Hochschulen Macaus sind sehr gefragt. Auch bei Studenten aus der Volksrepublik. Noémia aus Peking träumt von einer Karriere als Dolmetscherin: "Ich habe diesen Studiengang gewählt, weil Portugiesisch noch offizielle Amtssprache in Macau ist. Und auch um später einen Job zu finden, ist er sehr nützlich.“

Wirtschaftswachstum durch Bildung

Bessere Bildung soll Macau aus dem Teufelskreis der Casinos herausführen. Gut ausgebildete Fachkräfte sollen andere Wirtschaftsunternehmen in die Sonderverwaltungszone bringen, am liebsten aus den Bereichen High-Tech und Software. Das zumindest sagt die Regierung und lockt mit Berufsbildungszuschüssen und Stipendien. Doch ohne großen Erfolg, wie Gary Ngai feststellt: "Immer weniger Jugendliche aus Macau wollen auf die Universität. Die fragen sich, warum sie vier oder fünf Jahre studieren sollen, wenn sie nach der Schule schon 1000 Euro als Casinoangestellte verdienen können.“

Ironie des Schicksals: Viele, die studiert und sogar Universitäten im Ausland besucht haben, finden keine Arbeit in ihrem Fachbereich. Weil es in der Sonderverwaltungszone noch immer fast nur Glücksspiel gibt, bleibt diesen Akademikern oft nur, Macau zu verlassen – oder eben doch in den Casinos zu arbeiten.

Autor: Jochen Faget
Redaktion: Esther Broders