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Auf der Suche nach Einigkeit

Vladimir Müller12. März 2004

Am Freitag (12.3.) treffen sich in die Präsidenten der "Visegrad-Gruppe": Polen, die Slowakei, Tschechien und Ungarn. Der Gipfel kann nicht verhüllen, dass die sogenannte V4 bislang nur eine bescheidene Rolle spielt.

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Gemeinsamkeiten im Blick? Die Staatspräsidenten der "Visegrad-Gruppe"Bild: AP

Beim Treffen im slowakischen Kosice gibt es für die V4 nicht allzu viel zu feiern. Die Zusammenarbeit klappt nicht so, wie man sich das ursprünglich vorgestellt hatte. Es gibt sogar Stimmen, die fordern, die "Visegrad-Gruppe" aufzulösen. Es wäre erfolgsversprechender, wenn - im Rahmen der EU - Tschechien zusammen mit der Slowakei und Ungarn enger mit Österreich und Slowenien kooperierten, sagte unlängst Jiri Pehe, Direktor der New York University in Prag. Polen, das größer ist als die drei übrigen Partner zusammen, habe seine eigene Interessen. In der Debatte über die EU-Verfassung fand Warschau in der Tat einen Verbündeten am anderen Ende des europäischen Kontinents - in der spanischen Hauptstadt Madrid. "Visegrad hat Sinn, auch wenn seine Mitglieder nicht in allen Fragen übereinstimmen", argumentierte dagegen der slowakische Ministerpräsident Mikulas Dzurinda.

Gemeinsame Linie als Rarität

Es gelingt selten eine gemeinsame Linie zu finden - zuletzt scheiterte ein gemeinsames Vorgehen an der Frage der Arbeitsmarktbeschränkung: Bis zu sieben Jahre kann es dauern, bis Menschen aus den künftigen EU-Ländern in den alten Mitgliedstaaten ohne Restriktionen arbeiten dürfen. Diesmal scherte Ungarn aus: Allein Budapest ist entschlossen, mit Gegenmaßnahmen auf die Übergangsregelung der EU zu reagieren. Die anderen "Visegrader" wollen lieber Überzeugungsarbeit leisten und die bestehenden Ängste vor den neuen Mitgliedern bei den künftigen Partnern in den westeuropäischen Hauptstädten abbauen.

An diesem unterschiedlichen Vorgehen wird sich auch nach dem EU-Beitritt wohl nicht viel ändern. Der slowakische Außenminister Eduard Kukan im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Es wird sicher Fälle geben, wenn die Interessen der einzelnen V4-Mitglieder stärker sein werden als das Streben nach Einigkeit. Die werden aber immer seltener. Ich denke, wir werden uns auf die Fragen konzentrieren, wo eine Zusammenarbeit realistisch ist. Das hilft uns dann auch, unsere eigenen Interessen durchzusetzen."

Ist die Idee Mitteleuropa Vergangenheit?

"Realistisch" scheinen auch die Beziehungen der V4-Staaten untereinander zu sein. Die Idee eines Mitteleuropa gehöre der Vergangenheit an, sagte zum Beispiel vor wenigen Monaten Ungarns Premierminister Peter Medgyessi dem französischen Magazin "L'Express". Doch es war gerade diese Idee, die nach den gewaltlosen Revolutionen 1989 viele Intellektuelle und Politiker faszinierte: ein multi-ethnischer und multi-religiöser Raum mit Menschen, die in friedlicher Koexistenz zusammenleben.

Entscheidend für die Entstehung der "Visegrad-Gruppe" waren aber Anfang der 1990er Jahre praktische Gründe: Die regionale Zusammenarbeit sollte die wirtschaftlichen Folgen des Zusammenbruchs des Sozialismus abfedern und die Integration in die transatlantischen und europäischen Strukturen erleichtern. Diese Ziele wurden mit dem NATO- und EU-Beitritt auch erreicht.

Punktuelle Erfolge

Die V4 habe jedoch häufig nur Erklärungen über gemeinsame Positionen abgegeben, die nicht umgesetzt worden seien, beklagen viele Kritiker. Nur im kulturellen Bereich seien punktuelle Erfolge zu vermelden, unter ihnen die Gründung einer Visegrad-Stiftung. Bei den Verhandlungen mit der EU über die Aufnahme in die Union gab es tatsächlich keine gemeinsame Linie - im eigenen Interesse wetteiferten Prag, Warschau, Bratislava und Budapest um mehr Ausnahmeregelungen und günstigere Quoten.

"Näher an der Region"

Vielleicht könnte sich das nach dem EU-Beitritt am 1. Mai ändern. Der slowakische Außenminister sieht jedenfalls Chancen für die V4, in Zukunft mit gemeinsamen Vorschlägen Politikfelder der EU zu erweitern: "Die V4-Staaten können zum Beispiel bei der Ostpolitik der EU einen Beitrag leisten. Was die Beziehungen zur Ukraine oder zum westlichen Balkan betrifft, da ist unsere Gruppe in vielerlei Hinsicht näher an dieser Region. Dies könnte auch für die EU im Hinblick auf das Konzept eines erweiterten Europa nützlich sein."

Laut aktuellen Umfragen wünscht sich die Mehrheit der Bevölkerung in drei Visegrad-Staaten - in Tschechien immerhin 50 Prozent - eine enge Zusammenarbeit der Vier auch nach ihrem EU-Beitritt. Den "Solo-Auftritt" der Polen beim Streit um die EU-Verfassung scheinen die Befragten offensichtlich zu tolerieren. Denn schließlich ist jedes Visegrad-Land im Laufe der EU-Beitrittsverhandlungen oft eigene Wege gegangen. Das vorläufige Scheitern der EU-Verfassung sieht übrigens der slowakische Außenminister Eduard Kukan gelassen: "Ich glaube nicht, dass wir uns beeilen müssen. In einigen wichtigen europäischen Ländern finden noch Wahlen statt. Wenn die neuen Regierungen angetreten sind, werden auch die schwierigsten Fragen durch Kompromisse zu lösen sein."