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Auf Kosten der Opfer

9. April 2003

- Kontrolle bei der Stiftung Deutsch-Polnische Aussöhnung bringt brisante Enthüllungen ans Tageslicht

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Warschau, 9.4.2003 RZECZPOSPOLITA, poln. Dorota Kolakowska

Vorstandsmitglieder der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung haben in den Jahren 1998-2000 rechtswidrig hohe Quartalsprämien kassiert. Dies geht aus einer Mitteilung der Obersten Kontrollkammer (NIK) nach einer Kontrolle hervor, die sie durchgeführt hat. Diese Mitteilung liegt die der Zeitung Rzeczpospolita vor. Zwei der Vorstandsmitglieder stehen immer noch an der Spitze dieser Stiftung. Die Kontrolle der Obersten Kontrollkammer ergab außerdem, dass die Stiftung über vier Millionen Zloty (etwa 1 Million Euro) verlor, weil sie das Geld im Jahre 2000 auf einer Schweizer Bank deponierte.

Die Oberste Kontrollkammer stellte auch fest, dass der stellvertretende Vorsitzende der Stiftung - Jan Parys - wie auch der Sekretär Andrzej Tlomacki in den Jahren 1998-2000 Quartalsprämien in Höhe von jeweils über 94 000 Zloty (etwa 23 500 Euro) kassierten.

Die Kontrolle bei der Stiftung Polnisch-Deutsche Aussöhnung, die für die Auszahlung der Entschädigungen an die Zwangsarbeiter im Dritten Reich zuständig ist, wurde im vergangenen Jahr beendet. Bisher wurden aber deren Ergebnisse nicht veröffentlicht.

Über den Verlauf dieser Kontrolle wurde der Schatzminister informiert, der die Vorstandmitglieder der Stiftung ernennt und abberuft. Vor einem Jahr wurde einer der stellvertretenden Vorstandvorsitzenden – Jan Pajak - abberufen, der ebenfalls die Quartalsprämien kassierte. Die Kontrolleure der Obersten Kontrollkammer stellten fest, dass der Vorstand nicht nur viele Unregelmäßigkeiten und Versäumnisse zugelassen, sondern gelegentlich auch Schaden der Stiftung zugefügt hat.

Der Stellvertretende Vorsitzende der Stiftung für Finanzfragen Jan Parys und der damalige Vorsitzende Jacek Turczynski entschieden im Jahre 2000, dass ein Geldbetrag von über fünf Millionen Euro bei der Bank Paribas in Zürich zu deponieren sei. Dies sollte das Kapital der Stiftung vor den Folgen der Inflation und Änderungen des Zloty-Kurses schützen. Im Endeffekt gelang es zwar der Stiftung, einen um 4,73 Prozent höheren Betrag abzuheben, aber "aufgrund ungünstiger Kursverhältnisse am 30.6.2001 belief sich der Schaden der Stiftung auf über 4,12 Millionen Zloty" (etwa eine Million Euro), ist in der Mitteilung von NIK zu lesen. (...)

"Es war doch klar, dass es viel günstiger gewesen wäre, das Geld in Polen anzulegen. Dazu gab es hier noch einen moralischen Aspekt: Die Stiftung sollte Geld aus der Schweiz bekommen und nicht bei dortigen Banken anlegen", sagte Bartosz Jalowiecki, der im April 2000 zum Vorstandvorsitzenden der Stiftung ernannt wurde und die Auflösung dieser Geldanlage in der Schweiz veranlasste. Zweifel von NIK wurden aber auch durch den Geldtransfer geweckt, weil das Geld an die Bank Paribas bereits 15 Tage vor der Festlegung der vertraglichen Konditionen überwiesen wurde. (...)

Das war nicht die einzige fehlgeschlagene Investition der Stiftung. Der Vorstand vergab auch Quartalsprämien an sich selbst, obwohl - wie im NIK-Bericht betont wird - die Mitglieder hohe Monatsbezüge bekamen, die von der Einkommenssteuer befreit wurden. (...) Im Jahre 2000 betrug das durchschnittliche Gehalt eines Vorstandsmitglieds über 14 000 Zloty (etwa 3 500 Euro). In den Bestimmungen über die Vergütung des Vorstandes, die vom Schatzminister gebilligt wurden, sind keine Quartalsprämien vorgesehen. Nichts desto trotz fasste der Vorstand entsprechende Beschlüsse, auf Grund derer die Vortandsmitglieder Geldzuwendungen bekamen, obwohl sie durch den Status der Stiftung verpflichtet sind, das Geld für Verwaltungszwecke sparsam auszugeben. Die Stiftung unterhält sich aus den Mitteln, die ihr von der deutschen Regierung und Industrie zur Verfügung gestellt wurden. (...)

Der jetzige Vizevorsitzende der Stiftung Jan Parys bekam innerhalb von 2,5 Jahren über 94 000 Zloty (etwa 23 500 Euro) an Prämien, behauptet die Oberste Kontrollkammer.

Die Vergabe von Belohnungen endete als Bartosz Jalowiecki an die Spitze der Stiftung berufen wurde. Bis dato wurden aber insgesamt über 362 000 Zloty (etwa 90 500 Euro) für Prämien ausgegeben. (...)

Die Gelder der Stiftung nutzten aber auch Personen, die dort nicht beschäftigt waren, lautet ein weiterer Vorwurf der Obersten Kontrollkammer. Im Mai 1999 flog jemand, der nicht bei der Stiftung beschäftigt war, zu einer siebentägigen Geschäftreise nach Washington. Die Kosten dieser Reise belaufen sich auf 1 103 Dollar für den Aufenthalt und auf 4 242 Zloty (etwa 1 050Euro) für den Flug. Der Zweck dieser Geschäftsreise wurde niemals geklärt.

Beschäftigten der Stiftung wurde auch das Geld fürs Tanken zurückerstattet, obwohl auf den meisten Rechnungen weder die Geschäftsnummer noch die Autokennzeichen vermerkt waren. Aus Mitteln der Stiftung wurden aber auch Taxifahrten der Vorstandmitglieder zurückerstattet, was nach Ansicht von NIK rechtswidrig war.

Ferner gelangte die Oberste Kontrollkammer zu der Überzeugung, dass zu hohe Beträge für Repräsentationskosten ausgegeben wurden. Allein im ersten Halbjahr 2001 wurden für diesen Zweck 65 000 Zloty (etwa 16 250 Euro) ausgegeben. Es wurden Necessaires, Füllfederhalter und sogar alkoholische Getränke gekauft.

"Dass Vorstandsmitglieder der Stiftung Restaurant-Besuche von Abgeordneten, Beamten des Außenministeriums, Bankangestellten, Journalisten aus Mitteln der Stiftung bezahlten, könnte auf Korruptionsaktivitäten hindeuten", ist in der NIK-Mitteilung zu lesen.

Trotz des Spesenkontos für Geschäftsreisen im In- und Ausland ließen sich Vorstandsmitglieder in den Jahren 1998-2000 und im ersten Halbjahr 2001 auch Ausgaben für das Essen und den Kauf alkoholischer Getränke auf Reisen zurückerstatten. Nach Ansicht der Obersten Kontrollkammer ist dies aber unwirtschaftlich und illegal.

Diese Unregelmäßigkeiten waren möglich, weil es keine Buchhaltungsregeln gab (...), kritisiert die Oberste Kontrollkammer. Bis Januar 2002 wurde kein gesondertes Konto für Verwaltungskosten geführt für die Zahlungen der österreichischen Stiftung und der Schweizer Stiftung für die Opfer des Holocaust.

Um Kosten zu senken, schlug die Oberste Kontrollkammer vor, den sogenannten Konsultationsrat aufzulösen, der im Mai 2000 ins Leben gerufen wurde und dem sieben Vertreter der Opferverbände angehören. Ihre Aufgabe besteht darin, den Vorstand zu beraten und die Angelegenheiten zu bewerten, die der Vorsitzenden vorträgt. Die Mitglieder dieses Rates bekamen monatliche Spesen in Höhe von 1 000 Zloty (etwa 250 Euro). Ein Jahr der Tätigkeit dieses Rates, der in dieser Zeit sieben Stellungnahmen erarbeitete, verursachte Kosten in Höhe von 71 000 Zloty (etwa 17 750 Euro). (Sta)