1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Stummfilme aus Archiven

20. August 2011

Aus der Zeit des Stummfilms ist vieles unwiederbringlich verloren. Doch immer noch werden wahre Schätze dieser mehr als hundert Jahre alten Filmkunst gehoben. Aus Archiven in aller Welt. Und das Publikum ist begeistert.

https://p.dw.com/p/Rgpm
Internationale Stummfilmtage in Bonn. 13. - 23.08.2009. Foto: Katja Kryzhanowskaja am 17.08.2009.
Stummfilmtage in BonnBild: DW

Der Himmel über den Köpfen der Zuschauer wird dunkel, erwartungsvoll schaut das Publikum auf die Leinwand. Ein ungewöhnlicher Kino-Ort, mitten in Bonn. Die Sitzreihen sind umschlossen von den Säulengängen des Arkadenhofes der altehrwürdigen Bonner Universität. Die Stummfilmtage des Sommerkinos geben hier einen einzigartigen Einblick in die ganz frühe Filmkunst. Die Besucher hält weder Wind noch Regen fern, wer zu spät kommt, muss von draußen schauen. Dieser Andrang zeigt: Längst wird der Stummfilm nicht mehr nur von Experten geschätzt.

Explosiver Stoff

Bild aus dem Filmarchiv des Deutschen Filminstituts (in Wiesbaden). Foto: Barbara Coellen
Filmarchiv des Deutschen FilminstitutsBild: Deutsches Filminstitut - DIF

Dass man ihn aber fast ein ganzes Jahrhundert nach seiner Entstehung heute überhaupt wieder zu sehen bekommt, darum kümmern sich Spezialisten aus aller Welt. Denn die Restaurierung ist äußerst aufwändig und das Material nicht ganz ungefährlich. Der früher verwendete Nitrofilm zersetzt sich schnell und ist extrem leicht entzündlich. Es braucht lediglich eine Temperatur von um die 40 Grad Celsius und noch nicht einmal Sauerstoff. Was damals für vertretbar gehalten wurde, fällt heute mit diesen Eigenschaften sogar unter das deutsche Sprengstoffgesetz. Nicht selten gingen Studios und Ateliers daher einfach in Flammen auf.

Man schätzt, dass heute nur noch etwa zehn Prozent der gesamten Stummfilmbestände erhalten sind. Auch Stefan Drößler, Kurator der Stummfilmtage in Bonn, kümmert sich am Filmmuseum München um die Rettung der Streifen. Dass so viel Material verloren ging, habe man neben seiner chemischen Beschaffenheit noch einem anderen Umstand zuzuschreiben. Der Film sei lange nicht als Kulturgut wahrgenommen worden. Da die Industrie immer neue Produktionen liefern musste, habe man die alten nach der Vorführung oft unwiederbringlich vernichtet.

Kulturarchäologie

Umso erfreulicher ist es, wenn sich in Sammlungen und Archiven noch verschollen geglaubte Schätze auftun. Viele davon werden in Neuseeland gefunden. Immer wieder hat es hier sensationelle Funde gegeben, zuletzt konnte man das Drehbuchdebüt "White Shadow" von Altmeister Alfred Hitchcock bergen. Aufgrund der weiten Entfernung erreichten die Filmverleiher Neuseeland meist zuletzt. Oft wurden die Rollen hier vergessen - die ganze restliche Welt hatte sie bis dahin ja schon gesehen. Was liegen blieb, hat man eben eingesammelt und aufgehoben. Und wenn man es nun findet, hat es meist über ein halbes Jahrhundert schon kein Mensch mehr angesehen.

Wieder gefunden: Stummfilm "Friedrich Schiller, eine Dichterjugend" von Curt Goetz (1888-1960) spielt Theodor Loos (l) den Dichter, der sich hier in einer Szene bei dem Schloss-Kommandanten Kapf (Hans Karl Müller) meldet. 82 Jahre ist die Filmszene alt und stammt aus einem Streifen, der Jahrzehnte lang als verschollen galt. Nun soll der s/w-Film am Karfreitag, 25. März, im Staatstheater zum ersten Mal wieder vor Publikum aufgeführt werden. Foto: dpa/lsw
Wieder gefunden: Stummfilm "Friedrich Schiller"Bild: picture-alliance/dpa

Die Besucher der Stummfilmtage wissen – der Stummfilm war und ist nicht stumm. Von Beginn an begleiteten Erzähler, Pianisten, Geräuschemacher und Orchester die Geschichten. In Japan beispielsweise gab es einen Erzähler, den "Benshi", der den Zuschauern das Geschehen näher brachte. Aber auch vom Ton ging viel verloren. Wo heute keine Partituren mehr im Original vorhanden sind, müssen neue Stücke geschrieben werden. Die Produktion von Stummfilmen beschränkte sich also nicht etwa auf Europa und die USA. Man hat unter anderem auch in Asien, der Sowjetunion und in Skandinavien gedreht.

Als man anfing dem Stummfilm in Bonn ein eigenes Festival zu widmen, waren viele skeptisch – es werde schnell nichts Interessantes mehr zu zeigen geben. Aber das Konzept des Bonner Sommerkinos ist erfolgreich. Populäre Klassiker mischen sich mit völlig Unbekanntem aus aller Welt, das Publikum kommt gerne wieder. Und das Repertoire ist noch lange nicht erschöpft. "Wir werden noch viele Stummfilme zeigen können", sagt Drößler. Die Zuschauer dürfen sich schon jetzt darauf freuen.

Autorin: Clara-Maria Hanses

Redaktion: Cornelia Rabitz