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Auf Stimmenfang

17. Mai 2002

- Bei den regierenden Sozialdemokraten in Tschechien jagt ein finanzielles Wahlversprechen das andere

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Prag, 16.5.2002, RADIO PRAG, deutsch, Lothar Martin

Die regierenden Sozialdemokraten versuchen die tschechischen Wähler mit Wahlversprechen zu ködern, bei denen der jeweiligen Region eine wesentliche Verbesserung ihrer Infrastruktur in Aussicht gestellt wird. Die Anhäufung dieser Versprechen hat bereits einen zwölfstelligen Kronenbetrag ergeben.

Seit Beginn des Jahres hat das sozialdemokratische Kabinett seine turnusmäßigen Sitzungen zum Anlass genommen, um einen nach dem anderen der insgesamt 14 regionalen Kreise aufzusuchen und vor Ort zu tagen. Und stets war man nicht mit leeren Händen gekommen.

Dem südmährischen Kreis zum Beispiel versprach man 30 Milliarden Kronen, davon allein 6,6 Milliarden für die Verlegung des Brünner Bahnhofs weg vom Zentrum der Messestadt. Dem Kreis Usti nad Labem/Aussig wurden 15 Milliarden Kronen zugesichert für die Rekultivierung der durch den Kohletagebau umgepflügten Landschaft. Der Mährisch-Schlesische Kreis sowie die Kreise Hradec Kralove/Königgrätz und Karlovy Vary/Karlsbad wiederum sollen Milliardenzuwendungen für den Bau und Ausbau des Autobahn- und Schnellstraßennetzes erhalten.

Vorläufig letztes Glied in dieser Kette ist die Hauptstadt Prag, der am Mittwoch (15.5.) 15 Milliarden Kronen in Aussicht gestellt wurden für die Fertigstellung des Prager Autobahnringes und den Ausbau des Gleisnetzes der Prager Metro. Projekte, um deren staatliche Bezuschussung der Magistrat der Hauptstadt schon seit drei Jahren kämpft, bisher jedoch vergeblich.

Wie wichtig die Gelder für die Verkehrsentlastung in der Moldaumetropole wären, dazu äußerte Prags Oberbürgermeister Jan Kasl: "Was ich schätze ist, dass wir wirklich eine Chance für die Hauptstadt haben, wenn sich der Staat an der Finanzierung des Prager Rings beteiligen würde. Denn dies würde es uns ermöglichen, die Verkehrsdichte in Prag um einiges zu verringern."

Kasl ist jedoch kein Träumer, weshalb er lakonisch auch davon sprach, dass die Hauptstadt von der Regierung bisher nur fünf Portionen eines guten Essens erhalten habe, alles andere aber nur großartige Versprechen wären. In der Tat, die regierenden Sozialdemokraten haben den zehn bisher von ihnen besuchten Kreisen Zuwendungen in Höhe von nahezu 200 Milliarden Kronen (ca. 6,6 Milliarden Euro) versprochen, die sie aus den bei der Privatisierung gemachten Einnahmen finanzieren wollen.

Aber wie diese Privatisierung konkret aussehen soll, dazu konnte auch Petr Lachnit, der Minister für regionale Entwicklung, keine genauen Ausführungen gegenüber der Tageszeitung "Lidove noviny" machen. Zudem weiß auch ODS-Politiker Kasl nur zu gut, dass sich die Sozialdemokraten nur im Falle eines Wahlsieges an ihren Versprechungen messen lassen müssen. So wird halt viel versprochen, um die Wähler erst einmal für sich zu gewinnen.

Wenn sich die Regierung aber daran messen lassen müsste, wie sie mit den ihr anvertrauten Mitteln wirtschaftet, dann hätte sie schlechte Karten. Zur Kabinettstagung in Pardubice ließen sich die Minister in einem Spezialwaggon der Eisenbahn befördern, zur Besprechung in Karlsbad wurde Premier Milos Zeman mit dem Hubschrauber eingeflogen. Auf dem Heimweg allerdings benutzten die Minister wieder ihre zuvor leer angereisten Limousinen.

Insbesondere im Regierungsamt wird das Geld mit vollen Händen ausgegeben. "Es werden zur Zeit Leute nur deshalb eingestellt, damit sie nach den Wahlen eine Abfindung erhalten können", erfuhr die "Lidove noviny" von einem Beamten, der, aus Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, nicht genannt sein wollte. Die Zahlen belegen jedoch: 1998 hatte das Amt 314 Beamte, nun sind es fast 600. Die jetzt verprassten Gelder werden bei der möglichen Einlösung der Wahlversprechen mit Sicherheit fehlen. (ykk)