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Auf Wiederannäherungskurs

Daniel Scheschkewitz14. Juli 2003

Der deutsche Außenminister Joschka Fischer ist zu einem mehrtägigen Aufenthalt in die USA gereist. Das Ziel seiner Gespräche ist klar: Wiederannäherung mit der US-Regierung.

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Suche nach einer gemeinsamen Richtung: US-Außenminister Powell und sein Kollege FischerBild: AP

Joschka Fischers Reise-Route führt ihn zuerst nach New York, wo er von Vertretern der US-Wirtschaft erwartet wird. Am Mittwoch (16.7.03) und Donnerstag (17.7.03) trifft er in Washington zu politischen Gesprächen mit seinem amerikanischen Amtskollegen Colin Powell, Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice (Foto) und Vizepräsident Dick Cheney zusammen. Es ist der erste Empfang des deutschen Außenministers im Weißen Haus seit dem Irakkrieg und der Krise in den deutsch-amerikanischen Beziehungen.

Sicherheitsberater Condoleezza Rice
Condoleezza RiceBild: AP

Kritischer Zeitpunkt

Fischers USA-Reise kommt zu einem kritischen Zeitpunkt. Der deutsche Außenminister trifft auf eine Stimmungslage in den USA, die von den unerwartet großen Schwierigkeiten beim Wiederaufbau im Irak gekennzeichnet ist. Nicht nur in der deutschen Botschaft in Washington meint man deshalb ein wachsendes Interesse bei der US-Regierung zu registrieren, verstärkt den Dialog auch mit jenen Ländern zu suchen, die von Anfang an gegen diesen Krieg waren. Dazu gehört auch Deutschland, obwohl deutsche Truppen im Irak, wie es manche Kongressmitglieder gerne sehen würden, derzeit aus Berliner Sicht nicht zur Debatte stehen.

Bob Livingstone, Experte für deutsch-amerikanische Beziehungen am "Institute for Contemporary German Studies" in Washington, meint deshalb, Fischer werde mit einer Forderung nach Truppen-Unterstützung erst gar nicht konfrontiert. "Da wären die Deutschen überfordert", so Livingstone, "und im Pentagon weiß man das".

Ruf nach der UNO

Wie es im Irak weitergehen soll, wird dennoch eines der Gesprächsthemen bei Fischers Besuch sein, der bis zum 17. Juli dauern wird. Insbesondere eine stärkere Einbindung der UNO beim Wiederaufbau im Irak dürfte dabei von deutscher Seite angemahnt werden. Die USA haben ihrerseits ein großes Interesse an der Ausdehnung des deutschen Engagements in Afghanistan über die Hauptstadt Kabul hinaus. Hier erwartet man ein Entgegenkommen von Seiten der Bundesregierung, wo derzeit allerdings noch Sicherheitsbedenken geltend gemacht werden.

Ein weiteres Thema bei den Gesprächen Fischers mit der US-Regierung wird die Situation im Nahen Osten sein. Deutschland und die USA wünschen sich weitere Fortschritte auf der gemeinsam mit der EU, Russland und der UNO ausgearbeiteten "Straßenkarte für den Frieden", an deren Ende ein souveräner Palästinenserstaat stehen soll. In den USA würde man es begrüßen, wenn Berlin sich zu weitergehenden Hilfen für die Palästinenser entschließen könnte. Denn direkte Finanzhilfen der USA an die Palästinenser stellen für Washington aus Rücksichtnahme auf die starke jüdische Lobby in Amerika auch weiterhin ein Problem dar.

Diplomatisches Gepäck

Fischer hat in seinem diplomatischen Gepäck aber auch durchaus etwas anzubieten: Das sind die guten Kontakte Deutschlands und der EU im Iran. Der Iran steht derzeit im Fadenkreuz Washingtons, vor allem wegen seines Atomprogramms und wegen angeblicher Einmischungsversuche Teherans im Irak. Die USA unterhalten jedoch im Unterschied zu Deutschland keine diplomatischen Beziehungen zum Iran. Deshalb kommt der US-Regierung ein Vermittler sehr gelegen.

Roland Koch bei Dick Cheney
Dick Cheney (l.), Roland Koch (r.)Bild: AP

Fischer wird bei seinem Aufenthalt in Washington außer von seinem Amtskollegen Colin Powell auch von Sicherheitsberaterin Condoleeza Rice und von Vizepräsident Dick Cheney im Weißen Haus empfangen. Ob es dabei auch zu einer spontanen Begegnung mit US-Präsident Bush kommen wird, wie beim Besuch des hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (Foto) Mitte Mai 2003, bleibt abzuwarten.

Und Schröder?

Eichel, Struck, Clement, Schily – Joschka Fischer ist der vorläufig Letzte in einer ganzen Reihe von deutschen Ministern, die trotz der Irakkrise in den letzten Monaten zu Besuch in Washington waren. Auf dieser Ebene sei der Gesprächsfaden ja nie abgerissen, betont auch Botschafter Wolfgang Ischinger gern. Doch zu der sich aufdrängenden Frage, wann denn nun auch der Bundeskanzler mal wieder in Washington zu sehen sein wird, schweigt der kluge Diplomat lieber. Trotz einer kurzen Begegnung auf dem G8-Gipfel in Evian und einem Telefongespräch, bei dem Bush Schröder wegen des Todes deutscher Soldaten beim Bundeswehreinsatz in Afghanistan kondoliert hatte, gilt das persönliche Verhältnis zwischen beiden immer noch als verkrampft.

Ob es sich jedoch ein US-Präsident dauerhaft leisten kann, den deutschen Bundekanzler zu ignorieren, daran hat der amerikanische Deutschlandkenner Bob Livingstone seine Zweifel. Er glaubt, Präsident Bush sei in diesem Bereich lernfähig. "Sein Horizont erweitert sich. Deshalb weiß er auch, das Deutschland in Europa eine große Rolle spielt und das es keinen Sinn macht, einen Bundeskanzler, der mindestens bis zum Jahr 2006 im Amt bleiben wird, auf Dauer zu verprellen."