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Auf Wiedersehen, Webradio?

Markus Roman21. Januar 2005

Internet-Radio als Freizeitspaß, das war einmal. Mit den neuen Tarifen kommen auf private Betreiber hohe Kosten zu. Dabei zeigt ein Blick ins Ausland, dass sich das nicht bewährt hat - und es rechtlich fragwürdig ist.

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Neue Tarife könnten viele Webradios aussterben lassen

"Wir kleine Webcaster können nur schauen, was am Ende raus kommt", beschwert sich Erwin Reichel vom Radioring, einer Vereinigung von 300 Internetradios. Der Grund für seinen Ärger: Die "Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten" (GVL) ändert in Deutschland zum 1.4.2005 die Gebührenordnung und die Lizenzbedingungen für die Anbieter von reinen Internetradios, so genannten Webcastern.

Für viele, die ihr Internetradio als Hobby betreiben, dürfte der Spaß nicht mehr finanzierbar sein, befürchtet Reichel. Nach den neuen Bedingungen müssen unkommerzielle Sender pro Lied und Hörer 0,05 Cent an die GVL zahlen, mindestens jedoch 500 Euro im Jahr. Kommerzielle Anbieter bezahlen das Doppelte. Hinzu kommen Gebühren für das Kopieren von Musikstücken auf die Festplatte und die Nutzung im Ausland, wenn der Anbieter das nicht verhindern kann.

Die gute alte Zeit

Bislang bezahlte der Hobbymoderator für die Anzahl möglicher Hörer pauschal. Mit 300 Euro im Jahr konnte er maximal 25 Hörer gleichzeitig erfreuen und konnte sich gegenüber der GVL schadlos halten. Genau so viel musste an die "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte" (GEMA) abgetreten werden. Die GVL fordert die urheberrechtliche Vergütung für Künstler und Plattenfirmen ein, die GEMA für Komponisten, Textdichter und Musikverleger.

Während Kritiker von Preiserhöhungen von "1000 Prozent und mehr" (www.gvl-protest.de) sprechen, wiegelt die GVL ab. Es könne im "Vergleich mit der neuen Mindestvergütung […] nicht von einer Preissteigerung ausgegangen werden", heißt es in einer offiziellen Stellungnahme. Jedoch ist allein die neue Mindestvergütung fast doppelt so hoch ist wie bisher - zuzüglich Zusatzgebühren und GEMA-Anteil. Modellrechnungen belegen außerdem, dass bei gleichen Hörerzahlen in den meisten Fällen auch wesentlich mehr gezahlt werden muss.

Hohe Gebühren: In den USA und der Schweiz erfolglos

Das umstrittene Modell entstand offenbar nach dem Vorbild der USA. Dort führte die Record Industry Association of America (RIAA) im Sommer 2002 ein, dass ebenfalls pro Lied und Hörer abgerechnet wurde. Hunderte Internet-Sender stellten ihren Betrieb vorübergehend ein - bis die Regierung mit dem "Small Webcaster Act" geringere, pauschale Gebühren für kleine und unkommerzielle Webradios gesetzlich vorschrieb.

Schlechte Erfahrungen mit hohen Gebühren machte auch die Schweiz. Als Vorreiter in Europa verlangte die schweizerische Vertretung der International federation of producers of phonographs und videograms (IFPI) von jedem Webradio eine Pauschale von 5000 Franken (etwa 3400 Euro) im Jahr. Den erhofften Gewinn erbrachte es offenbar nicht: In der Zwischenzeit senkte die IFPI den Jahresbeitrag auf 3000 Franken (etwa 2000 Euro) plus Gebühren. Grund dafür sei aber nicht die zurückgegangene Zahl an Internetradios, betonte Johannes Börker von der schweizerischen IFPI gegenüber DW-WORLD. Der neue Tarif sei einfach "vermittelbarer und verwertbarer".

Neue Nutzungsbedingungen in rechtlicher Grauzone

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Beim traditionellen Radio ist Einflussnahme auf das Programm seitens der GVL nicht erlaubtBild: AP

Neben den gestiegenen Kosten empört sich Reichel vom Radioring auch über die neuen Nutzungsbedingungen. Nach diesen muss der Webcaster zum Erhalt einer Sende-Lizenz bestimmte Auflagen erfüllen. Dazu gehört beispielsweise, innerhalb von drei Stunden nicht mehr als drei Titel desselben Albums oder vier Titel eines offiziellen Samplers zu senden. Auch Archivsendungen, die kürzer als fünf Stunden sind, sind nicht mehr erlaubt, zudem muss der Radiomacher die Zugriffe seiner Hörer protokollieren - zur späteren Abrechnung.

Nach Ansicht des Münchner Anwalts Bernhard Knies könnte die GVL hier ihre Kompetenzen überschreiten. Für normales Radio gelte schließlich: Was auf CD erschienen ist, darf auch gespielt werden. Egal, in welcher Häufigkeit und Intensität. Durch die GVL-Bedingungen werde auf Umwegen versucht, ein so genanntes Verbotsrecht zu erreichen. Knies' zufolge halte das einer gerichtlichen Überprüfung nicht stand. Entscheiden müsse aber die zuständige Schiedsstelle beim Marken- und Patentamt.

So weit wollen die Betreiber der Webradios vorerst nicht gehen. Reichel erklärte im Gespräch mit DW-WORLD, der nächste Schritt seien Verhandlungen mit der GVL Anfang Februar. Was im "worst case" passiert, habe man im Radioring noch nicht beleuchtet. Bis dahin wolle man aber "den Ball flach halten".