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Aufbruch der Musliminnen

13. Juni 2009

Je religiöser sie sind, desto traditioneller leben sie als Frauen – Dieses Bild der Musliminnen stimmt nicht, sagen europäische Islambeauftragte. Auf einer Tagung diskutierten sie die Geschlechterfrage im Islam.

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Zwei Musliminnen skandieren die Losung "Mein Kopftuch ist meine Freiheit" (Foto: AP)
Demonstrieren für ihre Rechte: Musliminnen in BerlinBild: AP

Sie trägt ein Kopftuch, geht drei Schritte hinter ihrem Mann und hat weder zuhause noch in der Moschee irgendetwas zu sagen. Von den modernen, emanzipierten Frauen des Westens scheint die Muslimin weit entfernt zu sein. Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig und hat, so betonten die europäischen Islambeauftragten auf einer Konferenz in Bonn, mit der Realität viel weniger zu tun als angenommen.

"Die Musliminnen in Westeuropa sind dabei, ihre Rolle im Geschlechterverhältnis neu zu definieren und nach einem neuen Rollenverständnis von Mann und Frau im Islam zu suchen", sagte Martin Affolderbach, Referent für Islam und Weltreligionen bei der Evangelischen Kirche in Deutschland. Eine Beobachtung, die seine anglikanischen, katholischen und orthodoxen Kollegen aus 16 europäischen Ländern beim sogenannten Journées d’Arras bestätigen konnten.

Mehr Teilhabe durch Quote?

Martin Affolderbach und Jörgen Klußmann (Foto: Evangelische Akademie)
Die Referenten Affolderbach (l.) und Klußmann (r.)Bild: Evangelische Akademie im Rheinland

Die Journées d’Arras sind nach dem nordfranzösischen Ort Arras benannt, wo sich 1980 erstmals dieser Kreis versammelte. Seitdem findet das Treffen jährlich auf Einladung der jeweiligen Kirchen in einem anderen europäischen Land statt. Diesmal diskutierten die Beauftragten über die Geschlechterfrage im Islam und die derzeitige Rechtsstellung muslimischer Migrantinnen gegenüber den Männern in verschiedenen europäischen Ländern.

Es falle auf, dass ein unterschiedliches Rollenverständnis eher kulturell und nicht religiös geprägt sei, betonte Affolderbach. Er sprach sich wie auch die anderen Islambeaufttragten daher unter anderem für die Einführung von Quoten aus, um die Teilhabe von Frauen am gesellschaftlichen Leben innerhalb muslimischer Gemeinschaften zu stärken. Diese seien hilfreich, um überhaupt im Bewusstsein voranzukommen, damit auch Männer einen Schritt zurückträten und Verantwortung an Frauen abgäben.

Bildung als Schlüssel zur Gleichberechtigung

Das Fazit: Der Islam vertritt weitaus stärker die Rechte und Interessen von Frauen als es Traditionalisten wahrhaben wollten. "Sie bemänteln letztlich die Unterdrückung von Frauen mit der Glaubensfrage", kritisierte der Anglikaner John Chesworth vom Zentrum für muslim-christliche Studien in Oxford. Chesworth zitierte aus einer Studie, wonach in Großbritannien lediglich etwa die Hälfte der Moscheen über Gebetsräume für Frauen verfügen. "Viele muslimische Frauen sind emanzipiert und nehmen aktiv am gesellschaftlichen Leben teil." Aber ihm sei auch bewusst, so schränkte Chesworth ein, dass Frauen aus kulturellen Gründen vom Besuch einer Moschee abgehalten würden.

Ausländer nehmen an einem Integrationskurs in Frankfurt/Main teil (Foto: dpa)
Musliminnen im IntegrationskursBild: dpa - Bildfunk

Positiv werteten die Islambeauftragten die Eigeninitiative muslimischer Frauen in Deutschland. Besonders die von ihnen bereitgestellten Bildungsangebote seien ein Beitrag zur Integration von muslimischen Migrantinnen in die deutsche Gesellschaft, sagte Jörgen Klußmann, Studienleiter an der Evangelischen Akademie und Gastgeber der diesjährigen Journées d’Arras. "An Deutschland können wir sehen, dass sich viele muslimische Frauen aufmachen, um für mehr Gleichberechtigung und Anerkennung zu kämpfen."

Autor: Peter Kolakowski

Redaktion: Sabine Damaschke