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Neues Goethe-Institut in Sibirien

Aya Bach/ CP13. März 2009

Sibirien, Verbannung, Straflager: Der Dreiklang ist Schnee von gestern. Novosibirsk zählt zu den führenden Wissenschaftszentren Russlands, hat ein riesiges Opernhaus - und ein neues Goethe-Institut.

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Sibirische Landschaft: Schnee und Fels unter blau-gelb leuchtendem Himmel +++(c) dpa - Bildfunk+++
Mehr als Schnee und weite Landschaft: SibirienBild: dpa

An den Straßenrändern türmen sich hartgefrorene Placken von Schnee und Eis, dann und wann schlagen Männer die knöchelhohen Eisschichten vom Gehsteig. Immer noch kommt Nachschub aus dem grauen Himmel über Novosibirsk. Hier, im geographischen Mittelpunkt Russlands, scheint der Winter auch Mitte März noch endlos zu sein. Aber am Gründungsbüro des Goethe-Instituts herrscht frühlingshafte Aufbruchsstimmung. Seit diesem Freitag ist die Kulturarbeit in der Millionenstadt offiziell im Gange.

Kulturpolitischer Meilenstein

Menschen betreten das neue Goethe-Institut; ein bescheidener grauer Bau mit dem grünen Goethe-Logo
Neugier auf das Goethe-InstitutBild: Aya Bach

Eingerichtet hat sich Goethe vorerst in einer Spitzenlage und nah am kulturellen Herzen der Stadt: einen Steinwurf von dem erstaunlichen Opernhaus entfernt, dessen gewaltige Kuppel das Stadtzentrum dominiert, das 1800 angenehme Sitzplätze von den Abmessungen eines Business-Class-Platzes bietet und das überhaupt zu den größten Eurasiens zählt. Das Goethe-Büro indes ist von außen unscheinbar, von innen bescheiden: 75 Quadratmeter, ein paar Stühle, ein Kopierer. Aber das ist erst der Anfang. Ein neues Domizil für das Institut wird noch gesucht. Und trotzdem ist die Eröffnung des Gründungsbüros schon ein kulturpolitischer Meilenstein angesichts der Höhen und Tiefen der deutsch-russischen Geschichte.

Transsibirische Träume

Schnee- und Eisschollen am Straßenrand; eine Frau in Pelzjacke geht daran vorbei
Kulturpolitischer Frühling im sibirischen WinterBild: Aya Bach

Einige Hürden waren vorher zu überwinden, sagt Klaus-Dieter Lehmann, Präsident des Goethe-Instituts: "Nach einer Offenheit in den 90er Jahren gab es später zunehmend Vorbehalte". Eine Weile lang herrschte sogar "Funkstille". Und dann kam im vergangenen Herbst plötzlich die Zustimmung der russischen Partner zur Einrichtung der neuen Goethe-Dependance in Novosibirsk, nach Moskau und St. Petersburg die dritte in Russland. So könnte nun eines Tages ein Traum wahr werden, den Lehmann schon eine Weile mit sich herumträgt: Die Transsibirische Eisenbahn, jahrzehntelang nur ein innerrussisches Transportmittel, könnte zu einer Linie des kulturellen Austausches werden wie einst die legendäre Seidenstraße: "Von Deutschland bis Shanghai", so Lehmann, könnten Kulturen miteinander in Kontakt treten.

Stilettos auf Glatteis

Institutsleiterin Julia Hanske im Gründungsbüro; im Hintergrund das grüne Goethe-Logo
Institutsleiterin Julia HanskeBild: Aya Bach

Für solche Pläne dürfte die frischgebackene Institutsleiterin Julia Hanske genau die Richtige sein: Die studierte Sinologin hat nicht nur am Goethe-Institut Moskau, sondern zuletzt auch in Peking gearbeitet. Sie ist seit rund vier Wochen in Novosibirsk und wird in der nächsten Zeit viele Reisen nach Osten unternehmen, um zu sondieren, was die Menschen von "Goethe" erwarten und wie sich am besten Netzwerke mit einheimischen Kultureinrichtungen knüpfen lassen. Eines allerdings steht schon fest: Sie will die Sprachlernzentren stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken – einheimische Einrichtungen, die schon jetzt in Partnerschaft mit dem Goethe-Institut erfolgreich Deutschkurse anbieten. Sie arbeiten schon länger in Novosibirsk und der nahe gelegenen Akademikerstadt Akademgorodok, aber auch in Städten wie Omsk oder Tomsk.

"Das Interesse der Menschen an unserer Arbeit ist schon jetzt groß", erzählt Julia Hanske. Immer wieder kommen Passanten ins Büro, Novosibirskerinnen, die mit traumwandlerischer Lässigkeit auf Stilettos übers sibirische Glatteis stöckeln, oder Männer, die sich mit Pelzmützen dem Winter entgegenstemmen. Sie wollen wissen, was hinter der Tür des Hauses mit dem schlichten grünen Goethe-Logo passiert.

Rückgabe russischer Kultur

Das Opernhaus Novosibirsk: Ein Kuppelbau mit neoklassizistischer Säulenhalle
Das gigantische Opernhaus im Herzen der StadtBild: RIA Novosti

Einen regelrechten Ansturm gab es auf die Eröffnungspremiere des deutschen Kulturfestivals sibSTANCIJA_09, das zeitgleich und in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut in Novosibirsk startet: Auf dem Programm der legendäre Ballett-Film "Romeo und Julia" von Lev Arnshtam aus dem Jahr 1954 mit Live-Musik von Sergej Prokofiev. Ein echtes "Nationalwerk" der russischen Kultur, dessen Partitur der deutsche Dirigent Frank Strobel rekonstruiert und mit dem Opernorchester Novosibirsk einstudiert hat. Für ihn ist diese Zusammenarbeit auch eine Art "Rückgabe" russischer Kultur. Und weil er so begeistert ist vom Klang des Novosibirsker Orchesters, wird er mit diesem Sound im Ohr nach Deutschland zurückkehren.

Einen anderen Sound entwickeln in diesen Tagen russische und deutsche Elektromusiker, die gemeinsam mit der Transsibirischen Eisenbahn auf Reisen gehen, live von dort bloggen und ein Partyprogramm entwickeln.

Es ist Bewegung gekommen in die wechselseitigen Kulturbeziehungen. Nun wird es darauf ankommen, die Mühen der weiten sibirischen Ebene zu durchschreiten. Ein großer Schritt ist schon getan, wenn im nächsten Jahr ein komplettes Goethe-Institut mit zehn bis fünfzehn Mitarbeitern sein endgültiges Domizil in Novosibirsk bezieht.