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Aufeinander angewiesen

Matthias von Hein10. Dezember 2003

Nordkorea, Yuan-Kurs und Taiwan. Der chinesische Ministerpräsident Wen und US-Präsident Bush hatten viel zu besprechen - und pflegen weiter die Harmonie, meint Matthias von Hein in seinem Kommentar.

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Mehr hatte Wen Jiabao nicht erwarten können von seiner Begegnung mit US-Präsident George W. Bush: Ausdrücklich verurteilte Bush jegliche Bestrebungen Taiwans, den fragilen Status Quo an der Taiwan-Straße einseitig zu ändern. Das ist eine deutliche Verschärfung der bisherigen Rhethorik. Bisher sprachen die USA lediglich davon, die Unabhängigkeitsbestrebungen Taiwans nicht zu unterstützen. Taiwans Präsident Chen Shui-bian tut sich keinen Gefallen damit, die in den letzten Wochen immer deutlicher vorgebrachten Warnungen aus Washington zu ignorieren.

Diese Warnungen richten sich gegen ein Referendum, dass Chen parallel zur Präsidentschaftswahl am 20. März plant. Dieses Referendum soll sich mit der chinesischen Bedrohung Taiwans befassen. Die präzise Fragestellung kennt noch niemand, vermutlich nicht einmal Chen selbst. Für ihn ist wesentlich, mit dem Referendum die Opposition vor sich herzutreiben und seine Chancen auf Wiederwahl zu erhöhen. Allerdings riskiert Chen damit, mit den USA seinen wichtigsten Verbündeten in die Arme Pekings zu treiben.

Es soll alles bleiben, wie es ist

Washington hat keinerlei Interesse an einer Änderung des Status Quo, mit dem es sich für alle Beteiligten eigentlich ganz gut leben lässt. Auch für China: Die wirtschaftliche Integration beider Staaten ist weit fortgeschritten, taiwanesische Unternehmen unterhalten eine Fülle von Betrieben auf dem Festland. Allein die formelle Unabhängigkeit ist für Peking inakzeptabel. Da ist die chinesische Führung ein Gefangener ihrer eigenen Rhethorik: Sie kann es sich nicht leisten, in den Augen der Bevölkerung dem "Verlust" Taiwans tatenlos zuzuschauen. Insofern ist auch das Säbelrasseln des chinesischen Militärs durchaus ernst zu nehmen.

Taiwan genießt als das "demokratische China" nicht nur Sympathie in der chinesischen Bevölkerung ; die USA sind überdies durch den "Taiwan-Relations-Act" gesetzlich zur Verteidigung Taiwans verpflichtet. Ein Angriff der Volksrepublik hätte also auf jeden Fall ein Eingreifen der USA auf Seiten Taiwans zur Folge. In dieser Gemengelage gibt es eines, das die US-Regierung auf keinen Fall will: Das eine taiwanesische Regierung entscheidet, ob es zu einem Konflikt zwischen den USA und China kommt.

Rivalität war gestern

Dass US-Präsident Bush zu Beginn seiner Präsidentschaft China als "strategischen Rivalen" bezeichnet hat, ist ohnehin längst vergessen. Nach dem 11. September 2001 brach eine bis heute anhaltende Periode relativer Harmonie zwischen der gegenwärtigen und der künftigen Weltmacht aus. Peking wurde Partner im Kampf gegen den Terrorismus. China hat nicht gegen die Irak-Pläne Washingtons opponiert. Und im Fall des Konflikts um das nordkoreanische Atomprogramm war es vor allem China, das durch geschickte Diplomatie die Gesprächskanäle offen hielt.

China wiederum braucht die USA als Lieferant von Kapital und Technologie sowie als Absatzmarkt. Das in diesem Jahr auf 120 Milliarden US-Dollar anschwellende Handelsbilanzdefizit ist gerade im beginnenden US-Präsidentschaftswahlkampf einer der ernsteren Konfliktpunkte zwischen beiden Staaten. Nachdem Wen in der Taiwan-Frage bekommen hat, was er wollte, fiel es ihm leicht, hier Einsicht zu zeigen und Besserung zu geloben: Eine gemischte Expertengruppe wird über den Yuan-Wechselkurs sprechen.

Und US-Produzenten dürfen sich auch auf chinesische Einkaufsdelegationen mit Milliardenetats freuen. Ein Teil des Handelsbilanzdefizits fließt ohnehin schon seit Jahren in die USA zurück: China gehört zu den wichtigsten Käufern amerikanischer Staatsanleihen und finanziert so das US-Haushaltsdefizit mit.