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Auferstehen aus Ruinen

Sandra Petersmann28. November 2002

Auch wenn es - mit westlichen Augen gesehen - nicht danach aussieht: Es geht voran in der afghanischen Hauptstadt Kabul. Langsam zwar, aber es geht. Sandra Petersmann hat sich umgesehen.

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Bild: AP

28.11.2002

Kabul ist ein gutes Stichwort. Ein paar Anmerkungen zu dieser Stadt, in der ich noch bis Sonntag lebe und arbeite. Kabul ist eine Stadt mit vielen Gesichtern. Besonders einprägsam sind die Gesichter der Hoffnung und der Armut. Im Großraum Kabul leben inzwischen zwei Millionen Menschen, obwohl die Stadt ursprünglich 300.000 Einwohner hatte. Der Grundwasserspiegel ist dramatisch gefallen und Wasser ist ein kostbares Gut.

Aber das Wasser hat eine sehr schlechte Qualität, und es gibt in der ganzen Stadt nur eine Wiederaufbereitungsanlage. Kabul ist die Stadt der Ruinen, der einfachen Lehmhäuser und der zerschossenen oder maroden Wohnblocks aus der sowjetischen Besatzungszeit. Kabul ist die Stadt der Flüchtlingszelte, der bettelnden Kriegswitwen und der ausgemergelten Straßenkinder.

Aber Kabul ist auch die Stadt, in der die Kinder wieder ihre Drachen steigen lassen und in der Frauen sich wieder auf die Straße trauen. Die meisten Frauen tragen zwar immer noch die Burka, aber immerhin, sie nehmen zumindest in Kabul zum Teil wieder am öffentlichen Leben teil. Wenn man die Leute auf der Straße anspricht und sie fragt, was sie über die Situation in Kabul ein Jahr nach dem Petersberger Abkommen denken, dann kommt fast immer die gleiche Antwort: "Die Stadt ist sicher geworden, das ist sehr gut. Aber jetzt brauchen wir Arbeit."

Und genau das ist auch mein Eindruck. Die hohe Arbeitslosigkeit und die ständig steigenden Preise bei der Miete, bei den Lebensmitteln und beim Brennholz sorgen für Unruhe in der Stadt. Da liegt sozialer Brennstoff. Ich habe darüber mit dem Minister für den Wiederaufbau, Professor Mohammed Amin Farhang, gesprochen, der viele Jahre in Bochum gelebt hat. "Ja, da haben Sie Recht. Das ist sozialer Zündstoff. Wir haben vielleicht den Fehler gemacht, dass wir uns den Wiederaufbau in unserer grenzenlosen Euphorie zu einfach vorgestellt haben. Aber ich muss auch sagen, dass ich von den Geberländern enttäuscht bin, die ihre Versprechen nicht gehalten haben."

Das ist genug Gesprächsstoff für die zweite Internationale Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg am 2. Dezember. Ich habe jetzt nur über Kabul gesprochen. Und deshalb möchte ich ganz zum Schluss hinzufügen, dass Kabul im Vergleich zum Rest des Landes eine echte Erfolgsstory ist, gemessen an 23 Jahren Krieg, Vergeltung und Rache. Für den Rest des Landes ist der lange Weg zum Wiederaufbau noch viel weiter.