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Auffällige Eile

Klaus Nientiedt6. Oktober 2002

Johannes Paul II. hat am Sonntag (6. Oktober) Josemaría Escrivá de Balaguer heilig gesprochen. Der Spanier ist Gründer der auch innerkirchlich umstrittenen Organisation "Opus Dei". Ein Kommentar von Klaus Nientiedt.

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Heiligsprechung auf dem Petersplatz in RomBild: AP

Heiligsprechungen sind hoch symbolische Vorgänge. Sie sagen nicht nur etwas über diejenigen aus, die - so die traditionelle Bezeichnung für diesen Vorgang - zur Ehre der Altäre erhoben werden. Die Umstände, unter denen Heiligsprechungen zustande kommen, sagen viel über die kirchliche Situation: Wie in der Kirche gedacht wird. Wer als Vorbild herausgestellt werden soll.

Wenn dies schon für Selig- und Heiligsprechungen im Allgemeinen gilt, um wie viel mehr trifft dies im Fall des Gründers des Opus Dei zu, Escrivá de Balaguer.

Bemerkenswert an dieser Heiligsprechung ist schon die Schnelligkeit, mit der das einer Selig- und Heiligsprechung vorausgehende Verfahren betrieben wurde. Escrivá starb 1975. Vor zehn Jahren fand die Seligsprechung statt, nun die Heiligsprechung. Bis in den Vatikan hinein hat es kritische Stimmen gegeben, die sich von diesem auffälligen Eifer distanzierten.

In anderen Fällen hat man es nicht so eilig. Der 1980 am Altar erschossene Erzbischof von San Salvador, Oscar Romero, wartet seit langem auf seine Seligsprechung. Sollte der Einfluss seiner Gegner bis in römische Amtsstuben reichen?

Mit guten Gründen hatte man es in Zeiten, in denen noch nicht so viele Selig- und Heiligsprechungen vorgenommen wurden wie im gegenwärtigen Pontifikat, weniger eilig mit den entsprechenden Verfahren. Mit guten Gründen setzte man damals eher auf die heilsame Wirkung der Langsamkeit. Die Zeit heilt nicht nur manche Wunden, sie baut auch mögliche Missverständnisse ab, klärt zeitbedingte einseitige Einschätzungen. Und darauf kommt es an, wenn eine Person für die Gesamtkirche als verehrungswürdig herausgestellt wird. Gelingt dies nicht, droht die Heiligenverehrung selbst Schaden zu nehmen.

Gerade im Fall eines Mannes wie Escrivá de Balaguer hätte es allen Grund gegeben, weniger schnell vorzugehen. Die über 200.000 Menschen, die der Heiligsprechung in Rom beiwohnen werden, die auffallend zahlreichen Unterschriften von Bischöfen aus aller Welt, die in den Jahren zwischen 1975 und 1981 die Seligsprechung befürwortet haben - all das kann nicht darüber hinwegtäuschen, wie umstritten Person und Werk Escrivás tatsächlich sind - auch innerkirchlich.

Das gelebte Glaubenszeugnis im Alltag stärken, die allgemeine Berufung der Getauften zur Heiligkeit betonen - das sind die wichtigsten geistlichen Ziele des Opus Dei. Für die Außenwelt bleiben diese jedoch weithin verborgen. Dafür dominieren Eindrücke von Strenge und elitärer Absonderung, wenig zeitgemäßer Geheimhaltung und für heutige Menschen im Allgemeinen eher abschreckenden Frömmigkeitsformen.

Das ändert freilich nichts daran: Das Werk Escrivás - das Opus Dei, zu deutsch: Werk Gottes, wie es in frommer Unbescheidenheit heißt - erfreut sich beim gegenwärtigen Papst höchster Sympathien. Wenige Jahre nach seinem Amtsantritt erhob er es in den Rang einer Personalprälatur, einer Art Personalbistum. Dieser Status verleiht ihm eine beispiellose Eigenständigkeit gegenüber den Bischöfen und anderen geistlichen Bewegungen.

Innerhalb der katholischen Kirche gibt es Platz für die unterschiedlichsten Stile von Frömmigkeit und Spiritualität. Warum also nicht auch für das Opus Dei? Dennoch ist der Kirche nicht die Frage zu ersparen, ob es tatsächlich die Spiritualität des Opus Dei ist, die man den Gläubigen mit dieser Heiligsprechung weltweit ans Herz legen will.