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Literaturkolumne

21. April 2010

Kinder ticken anders. Deshalb ist es spannend, als Erwachsener ein Kinderbuch zu lesen. Oder die eigenen Kindheitsklassiker neu zu hören. Diesmal stellen wir also dreimal Kinderliteratur vor. Aus drei Blickwinkeln.

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Bücherstapel (Foto: dpa)
Bild: picture alliance/dpa

Es ist nicht einfach, gute Kinderliteratur zu schreiben. Eine, die nicht anbiedernd ist, die die Gefühle einer Generation wirklich anspricht. Oder gar Kinderliteratur, die auch Erwachsene noch interessant finden und bei der sie sich beim Lesen nicht fremd schämen für das, was ein anderer Erwachsener da verbrochen hat.

Kinder, die gerne machen würden, was sie wollen

Wer sich langsam ranschleichen will, liest dieses Werk hier. Geschrieben von einer Mutter für Mütter – oder interessierte Töchter.

Buchcover Anja Maier: Die Pubertistin (Bastei Lübbe/ Baumhaus Verlag)

Gegen Ende des Urlaubs fahren wir für ein paar Tage ans Meer. (...) Lustlos sitzt sie am Ufer, komplett angezogen, und lässt weißen Sand durch ihre Finger rinnen. (...) Um vor Wut über so viel Mistigkeit nicht loszuschreien, leiht der Vater sich Flossen und Schnorchel und geht den Kopf unter Wasser stecken. Ich lese derweil Zeitung und die Pubertistin lässt noch ein paar Kilo Sand durch ihre Finger rinnen.

Diese Mutter liebt ihre Tochter. Wirklich. Aber die ist inzwischen 16 und eine "Pubertistin". Eines dieser Wesen, wie wir es ja alle mal waren – und an diese Zeit hat man selbst vor allem lässige Erinnerungen. Deshalb ist es nett, dank Anja Maier mal nachlesen zu können, wie Eltern das empfinden, wenn Kinder sie offen verachten. Vor allem, wenn es so humorvoll trocken verpackt ist und die Autorin vor sich selbst nicht Halt macht.

Kinder, die machen, was sie wollen

Hörbuch Mark Twain: Tom Sawyer & Huckleberry Finn (Der Hörverlag)

Dieses Hörspiel hier fällt eindeutig in die Kategorie "Seufz, es wäre schön, wenn das Wirklichkeit wäre". Wer hat sie nicht gelesen, die Abenteuer von Tom Sawyer und Huckleberry Finn! Am 21. April vor 100 Jahren ist ihr Erfinder Mark Twain gestorben. Er hatte es wirklich raus. Er konnte sich in die Psyche von Kindern versetzen, so dass alles, was er schrieb, bis heute nicht überholt wirkt. In diesem Fall vor allem auch dank der neuen Übersetzung. Die Produktion von Deutschlandradio und Saarländischem Rundfunk ist deshalb nicht nur etwas für Kinder, sondern auch für alle Erwachsenen, die sich mal wieder an verloren gegangene Träume erinnern wollen ... mit dem Floß den Mississippi runter ... keine Verpflichtungen ... keine Verantwortung ... immer genug Geld, und irgendwie geht alles gut aus ...

Kinder, die mehr machen, als sie wollen

Zum Abschluss noch Literatur über Kinder des Hier und Jetzt in Deutschland, für die "googlen" ein Wort ist, mit dem sie aufgewachsen sind. Emma James ist elf Jahre alt, durchschaut die Welt der Erwachsenen besser, als diese denken und hat eine besondere Begabung: Sie kann "wahrträumen" ...

Buchcover Silke Scheuermann: Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge (Fischer Verlag)

Wenn es mal wieder so weit war, bekam sie Kopfschmerzen, die eine Weile dauerten, und dann wusste Emma James etwas, das sie vorher nicht gewusst hatte. Sie sah es wie einen kleinen Film vor sich.

Emma James hat zwei beste Freunde und ein Problem, das an ihr nagt, über das ihre Eltern aber kaum sprechen wollen: das schwere Asthma ihres jüngeren Bruders. Wenn man das als Erwachsener liest, weiß man gleich: Hier wird behutsam versucht, die Geschichte eines kleinen Mädchens zu erzählen, das viel zurückstecken muss. Silke Scheuermann macht das wirklich gut. Für Erwachsene ist es ein Buch, das einem die Augen öffnet für die andere Sicht, die Kinder oft auf Dinge haben – für Kinder ist es eine feinfühlige Erzählung vom Mut und der Tatkraft einer Elfjährigen, die es mit Hilfe ihrer Freunde schafft, viele Dinge auf die Beine zu stellen. Egal, für welchen Blickwinkel Sie sich bei der Kinderliteratur hier entscheiden – alle sind lohnenswert!


Autorin: Marlis Schaum
Redaktion: Gabriela Schaaf

Anja Maier: "Die Pubertistin. Die willste nicht geschenkt haben", Baumhaus Verlag, 143 Seiten, ISBN 978-3-8339-3579-4, 10 Euro

Mark Twain: "Tom Sawyer und Huckleberry Finn", Hörspiel, Regie: Alexander Schuhmacher, Übersetzung: Alexander Nohl, Sprecher: Kostja Ullmann, Patrick Güldenberg, Ulrich Noethen, Leslie Malton, Rik DeLisle, Andreas Schmidt, Fritzi Haberlandt u.v.a., Der Hörverlag, 5 CDs, Gesamtlaufzeit 280 Minuten, ISBN 978-3-86717-520-3, 24,95 Euro

Silke Scheuermann: "Emma James und die Zukunft der Schmetterlinge", Fischer Verlag, die Bücher mit dem blauen Band, 250 Seiten, ISBN 978-3-596-85387-8, 17,95 Euro