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Aufregung um Gastkommentar

Jens Thurau 23. Februar 2003

Am Sonntag (23.2.2003) reist CDU-Chefin Merkel zu Gesprächen in die USA. Schon im Vorfeld sorgte sie mit ihrer Kritik an der Bundesregierung in der "Washington Post" für Wirbel.

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Löste Debatte aus: Merkels Artikel in US-ZeitungBild: AP

Über die Macht des Wortes sinnierte Angela Merkel am Freitag (21.2.2003) in der parlamentarischen Gesellschaft in Berlin. Die Deutsche Rednerschule zeichnete die CDU-Chefin dort als "Frauenpersönlichkeit des Jahres" aus, und Merkel bedankte sich mit diesen Gedanken: "Man kann Worte als Waffe nehmen, und man kann Worte so benutzen, dass sie eher Frieden schaffen. Man kann aus den Worten und der Art, wie sie gesprochen werden, erkennen, was sich dahinter verbirgt. Und man lernt schnell, dass dasselbe Wort, gesprochen an einem anderen Ort, nicht immer das Gleiche bewirkt."

Der andere Ort - das war am Tag zuvor Washington, genauer die "Washington Post". In der angesehenen amerikanischen Zeitung hatte Merkel in einem Gastkommentar das strikte Nein von Bundeskanzler Gerhard Schröder zum Irak-Krieg heftig kritisiert. Nicht alle Deutschen dächten so wie Schröder, versicherte sie den US-Lesern.

Treffen mit Cheney, Rice und Rumsfeld

Bei ihrer am Sonntag (23.2.2003) beginnenden USA-Reise trifft Merkel Vizepräsident Richard Cheney, Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice und Verteidigungsminister Donald Rumsfeld, Gesprächspartner also, die die Bundesregierung zurzeit wohl nicht bekäme.

Regierungssprecher Bela Anda sagte am Freitag (21.2.2003), es sei unüblich, dass die Opposition die Regierung aus dem Ausland heraus kritisiere. Geschmacklos nannten die Grünen Merkels Zeitungsartikel, und SPD-Generalsekretär Olaf Scholz meinte: "Sie hat sich damit an einem wichtigen Grundsatz der Außenpolitik vergriffen. Man macht die Politik des eigenen Landes im Ausland nicht madig, um sich dort fein zu machen."

"Botschafterin eines Teils Deutschlands"

Schröder - so Merkel - habe um des Wahlkampfes willen die deutsch-amerikanischen Beziehungen aufs Spiel gesetzt und einen Sonderweg beschritten. Der Beitrag gefiel auch dem demokratischen US-Kongressabgeordneten Tom Lantos, der sich zurzeit in Deutschland aufhält. Er sagte, in Zeiten des Internets sei es doch egal, wer wo etwas sage. Und Merkel selbst verteidigte ihren Ausflug in den Journalismus im ARD-Fernsehen: "Ich glaube, dass ich als eine Botschafterin eines Teils Deutschlands nach Amerika fahre. Und ich habe mir in dieser Phase sehr wohl überlegt, ein paar Worte in der 'Washington Post' zu schreiben, weil ich glaube, dass der außenpolitische Konsens vom Bundeskanzler selbst aufgekündigt wurde, und zwar vor geraumer Zeit."

Tom Lantos hatte auf einer Wirtschaftskonferenz in Bonn wenigstens einen Trost für den Bundeskanzler parat: Wirtschaftssanktionen werde Amerika wegen des aktuellen Streits gegen Deutschland wohl nicht verhängen, meinte der Abgeordnete. Für Merkel ist die Reise trotz des Lobes der Amerikaner eine Gradwanderung: Eine große Mehrheit der Deutschen ist gegen einen Irak-Krieg, und der politische Gegner hat die CDU-Chefin schon der US-Hörigkeit bezichtigt. Und auch in der Union teilen nicht alle Merkels Schulterschluss mit der Irak-Politik von US-Präsident George W. Bush.