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Vorsicht Optimismus!

27. Juli 2010

Eine Flut von positiven Konjunkturindikatoren und guten Quartalszahlen sorgt in der Wirtschaft für Partylaune. Doch Experten warnen vor allzu großer Euphorie. Schon im Herbst könnte es zu einer Abkühlung kommen.

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Champagnerflasche im Eiskübel mit zwei Gläsern (Foto: pa/Bildagentur Huber)
Noch zu früh zum Feiern?Bild: picture-alliance / Bildagentur Huber

Die deutsche Wirtschaft wartet zurzeit mit einer Flut von guten Nachrichten und Zahlen auf. Es herrscht Champagnerlaune. Der Ifo-Geschäftsklimaindex verzeichnete im Juli den stärksten Anstieg seit der Wiedervereinigung. Die Europäische Zentralbank meldet eine steigende Kreditvergabe der Banken in den 16 Euro-Ländern.

Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann (Foto: AP)
Deutsche Bank-Chef Josef Ackermann: Auch im zweiten Quartal gut verdientBild: AP

Am Frankfurter Aktienmarkt legten am Dienstag (27.07.2010) gleich drei Schwergewichte im DAX Quartalszahlen vor. Die Deutsche Bank hat ihren Gewinn vor Steuern im zweiten Quartal auf 1,5 Milliarden Euro gesteigert. Der Softwarekonzern SAP meldet für den gleichen Zeitraum einen Gewinnsprung um 15 Prozent auf fast eine halbe Milliarde Euro. Und der Stuttgarter Autobauer Daimler macht aus den tiefroten Zahlen im zweiten Quartal des Vorjahres einen Gewinn von 1,3 Milliarden Euro.

Die Partystimmung in der deutschen Wirtschaft färbt jetzt auch auf die Verbraucher ab und sorgt für ein Sommerhoch beim Konsumklima: Trotz Sparpaket der Bundesregierung und höherer Krankenkassenbeiträge werde der Konsumklimaindex im August steigen, berichtet die Gesellschaft für Konsumforschung in Nürnberg. Die gute Arbeitsmarktlage stärke die Zuversicht in vielen Haushalten, heißt es. Und die Bundesanstalt für Arbeit hält es für möglich, dass die Zahl der Arbeitslosen im Herbst unter die Drei-Millionen-Marke sinkt.

Warnung vor Konjunkturkillern

Allianz-Chefvolkswirt Michael Heise (Foto: DW TV)
Allianz-Volkswirt Heise: Sparprogramme würgen die Konjunktur nicht abBild: DW-TV

Doch es gibt auch warnende Stimmen. Die sagen, so wie jetzt werde es in der zweiten Jahreshälfte nicht weitergehen. So will sich das IWH-Institut in Halle der allgemeinen Euphorie nicht anschließen, Ende 2010 sei mit einer Verlangsamung des Aufschwungs zu rechnen. Und auch das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin rechnet für die zweiten sechs Monate mit einer "geringeren Dynamik".

Das liegt einmal an der nachlassenden Konjunktur in den USA und der Abschwächung des Wachstums in China, was deutsche Exporteure hart treffen könnte. Und das liegt an den rigorosen Sparprogrammen, die sich fast alle Länder der Eurozone auferlegt haben.

Doch Michael Heise, Chefvolkswirt der Allianz-Gruppe, bleibt optimistisch: "Die Konsolidierungsprogramme, die die europäischen Staaten verabschiedet haben, sind nicht so hart und nicht so weitreichend, dass sie den konjunkturellen Aufschwung gefährden dürften. Und das liegt zu einem großen Teil an der Abwertung des Euro, die einen Konjunkturschub mit sich bringt." Dieser Schub dürfte den Export der Euro-Länder längerfristig um bis zu vier Prozent erhöhen, schätzt Heise. "Das ist natürlich gut für die Konjunktur."

Krise nicht abhaken

Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn (Foto: AP)
Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn: "Durchatmen, aber nicht abhaken"Bild: AP

Andere sind da vorsichtiger. "Wir können tief durchatmen, aber wir können die Krise nicht abhaken", sagt der Präsident des Münchener Ifo-Instituts, Hans Werner Sinn. Neben der nachlassenden Konjunktur im Ausland, was die Exporte dämpfen dürfte, und dem Sparpaket der Bundesregierung, was den privaten Konsum dämpfen dürfte, machen ihm die Investitionen der Unternehmen Sorgen. Die werden im laufenden Jahr noch nicht einmal um ein Prozent steigen, glaubt das Ifo-Institut.

Der Grund: Viele Unternehmen sind noch immer nicht ausgelastet. Und wer nicht ausgelastet ist, schafft sich keine neuen Maschinen an. "Die Stimmung ist zurzeit besser als die Lage", sagt Michael Grömling vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. "Die Lage ist derzeit noch geprägt von der Unterauslastung der Kapazitäten durch die Krise, aber zumindest regt sich etwas von Seiten der ausländischen Nachfrage. Das stärkt die Zuversicht in Deutschland, insbesondere in den Industrieunternehmen - und das ist unter dem Strich sehr erfreulich."

Autor: Rolf Wenkel

Redaktion: Andreas Becker