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Aufstand in Pakistan

5. November 2007

Pakistanische Sicherheitskräfte haben erste Proteste gegen den Ausnahmezustand niedergeschlagen. Erneut wurden dutzende Oppositionelle festgenommen. Und es gibt Gerüchte über einen Putsch gegen Musharraf.

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Verhaftungen in Lahore (Quelle: AP)
Verhaftungen in Lahore (Quelle: AP)Bild: AP

In der südpakistanischen Hafenstadt Karachi setzte die Polizei nach Augenzeugenberichten am Montag (5.11.2007) Schlagstöcke gegen oppositionelle Anwälte ein, die sich vor dem Obersten Gericht zu einer Demonstration gegen die Politik von Staats- und Armeechef Pervez Musharraf versammelt hatten. "Die Polizisten haben gnadenlos auf uns eingeschlagen und mehrere Dutzend Kollegen festgenommen", sagte Anwalt Akhtar Hussain laut Nachrichtenagentur DPA. Das Gerichtsgebäude sei von der Polizei abgeriegelt worden. Auch in der Garnisonsstadt Rawalpindi kam es nach Medienberichten zu Protesten. In der Hauptstadt Islamabad marschierten Hunderten von Polizisten und Militärangehörigen auf. Das Gelände des Obersten Gerichtshofs wurde mit Stacheldraht weiträumig abgesperrt. Auch in anderen Städten wurden Gerichtsgebäude abgeriegelt.

Neuwahlen in weiter Ferne

Nach der Verhängung des Ausnahmezustands am Samstag wächst der Druck auf Pakistans Militärmachthaber Pervez Musharraf. Pakistanische Oppositionelle, Rechtsanwälte und Menschenrechtsgruppen kündigten für heute landesweite Proteste an. Am Sonntag hatte die Regierung in Islamabad die Verschiebung der für Januar 2008 geplanten Parlamentswahlen angekündigt. Da derzeit die Verfassung außer Kraft gesetzt sei, hätten die Parlamentarier bis zu einem Jahr Zeit, um Neuwahlen anzusetzen, sagte Premierminister Shaukat Aziz am Sonntag in Islamabad. "Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen."

Einen Tag zuvor hatte Musharraf den Ausnahmezustand verhängt, die Verfassung aufgehoben und den Obersten Richter Chaudhry
abgesetzt. Der Staatschef begründete seinen Schritt mit einem
ausufernden Extremismus und einer lähmenden Einmischung der
Justiz in die Regierungsarbeit. Damit kam er einer Verhandlung
des Obersten Gerichts über die Zulässigkeit seiner Wiederwahl im
Oktober zuvor.

Razzien gegen Regimekritiker

Opposition hinter Gittern: In Multan wird ein politischer Aktivist in einem Polizeiwagen abtransportiert (Quelle: AP)
Opposition hinter Gittern: In Multan wird ein politischer Aktivist in einem Polizeiwagen abtransportiert (Quelle: AP)Bild: AP

Nach Angaben der Opposition wurden seit Samstag mehr als 1600 Menschen festgenommen. "Sicherheitskräfte haben 1200 Funktionäre und Parteimitglieder verhaftet", sagte ein Sprecher der oppositionellen Muslim-Liga von Ex-Regierungschef Nawaz Sharif am Sonntag in Islamabad. Zudem seien 400 Aktivisten islamistischer Parteien inhaftiert, so ein Sprecher des Bündnisses Muttahida Majlis-e-Ammal. Premier Aziz räumte "400 bis 500" Festnahmen ein.

Militär-Putsch gegen den Putschisten?

Pakistans größte Börse in Karachi reagierte mit einem heftigen Kurssturz auf Gerüchte über einen möglichen Putsch des Militärs gegen Musharraf. Der KSE-100-Index fiel um 4,7 Prozent, nachdem die Meldung verbreitet worden war, Musharraf sei unter
Hausarrest gestellt worden. "Die Börse hat auf die politische Krise
im Land reagiert", sagte ein Börsenhändler. Es sei der größte
Kurssturz der vergangenen Monate gewesen. Ein Armeesprecher wies die Gerüchte indes als "gegenstandslos" zurück. Musharraf sagte darpber zur Agentur Reuters: "Das ist ein Scherz allerhöchster Güte".

Proteste aus dem In- und Ausland

Die USA verschoben inzwischen Gespräche zur Zusammenarbeit in Verteidigungsfragen mit Pakistan wegen der jüngsten Entwicklungen in dem Land. Verteidigungsminister Robert Gates nannte die Geschehnisse der vergangenen Tage beunruhigend. Das Land sei jedoch von großer strategischer Bedeutung für die USA und ein wichtiger Partner im "Krieg gegen den Terror". Die USA würden daher nichts tun, was die laufenden Anstrengungen bei der Bekämpfung des Terrorismus gefährden könne. Gates relativierte damit eine Erklärung der USA, wonach wegen des Vorgehens von Pakistans Präsident Pervez Musharraf die Hilfen an das Land überprüft werden könnten. Laut "Washington Post" erhielt Pakistan in den vergangenen sechs Jahren fast elf Milliarden Dollar.

Auch Großbritannien wolle seine Finanzhilfe für Pakistan in Übereinstimmung mit den USA überprüfen, schrieb die britische Zeitung "Guardian" in ihrer Online-Ausgabe vom Montag unter Berufung auf Regierungsbeamte. Das Blatt berichtete weiter, heute (Montag) würden die USA und Großbritannien Musharraf erneut drängen, innerhalb der nächsten beiden Monate wählen zu lassen und als Armeechef abzutreten. Diese Forderungen würden auf einem Treffen des Militärmachthabers mit ausländischen Botschaftern in Islamabad vorgetragen werden.

Der deutsche Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier nahm die Verhängung des Ausnahmezustands in Pakistan mit großer Sorge auf. "Ich hoffe auf eine möglichst schnelle Rückkehr zur verfassungsmäßigen Ordnung", sagte Steinmeier am Sonntag in Berlin einer Mitteilung zufolge. EU-Chefdiplomat Javier Solana rief die Führung Pakistans auf, zu Recht und Gesetz zurückzukehren. (leix)