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Aufstand gegen die Korruption?

24. Juni 2003

- Die Ausgaben der polnischen Firmen für Schmiergelder übersteigen ihre Gewinne

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Warschau, Juni 2003, Monatszeitschrift BUSINESSMAN MAGAZINE , poln.

Es kommt irgendwann dazu, dass die Ausgaben für Schmiergelder höher werden als der Gewinn, der dank dieser Schmiergelder erwirtschaftet wird. Ein Wirtschaftsystem, das sich auf Korruption stützt, ist sehr kostenaufwendig. Solange das Bruttoinlandsprodukt in Polen schnell anstieg, war dies nicht sichtbar. Erst die Krise brachte die Tatsache ans Tageslicht, dass die Korruption zum Untergang der polnischen Firmen beiträgt. Die Geschäftswelt macht zwar noch keinen Aufstand, beginnt aber bereits unangenehme Fragen zu stellen. Ist das der Anfang eines Säuberungsprozesses?

Große Möglichkeiten für die Korruption wurden sowohl durch die Kommerzialisierung als auch durch die Privatisierung der Wirtschaft geboten. Die Korruption der Beamten sollte durch die Erhöhung ihrer Gehälter vermieden werden. Sie wurden auch in den Aufsichträten der privatisierten Betriebe platziert, um die Interessen der "eigenen" Firma besser zu vertreten. Dabei sollten sie vor der Gefahr der Korruption geschützt werden. Das war aber ein sehr naives Denken und seine Folgen sind immer noch in der Wirtschaft Polens zu spüren.

Auch die Politiker lernten schnell, diese Möglichkeit zu nutzen. (...) In der Regierung von Waldemar Pawlak z. B. bekleidete ein Mann den Posten des Vizearbeitsministers, der per Steckbrief gesucht wurde. Obwohl er täglich im Ministerium erschien, konnte ihn die Polizei jedoch nicht ausfindig machen. (...)

Es kommt aber ein Moment, in dem die Schmiergelder mehr kosten, als man angenommen hat. Dann kann es zu einem Aufstand gegen die Korruption kommen. Die Zeichen für solch einen Aufstand werden auch in Polen immer deutlicher. (...)

Immer mehr Firmen melden sich bei der polnischen Abteilung der Organisation Transparency International. Im Jahr 2000 gab es 49 gemeldete Delikte und im Jahr 2002 stieg die Zahl auf 283. Die Leiterin der polnischen Abteilung der Organisation Transparency International, Julia Pitera, betont, dass sich die größte Korruptionsquelle in Polen auf der Ebene der Gemeinden und der Stadträte befindet. Dort werden die meisten Ausschreibungen gemacht und viele Genehmigungen erteilt, die für eine wirtschaftliche Tätigkeit notwendig sind.

Die Unternehmen, die es satt haben, Schmiergelder zahlen zu müssen, suchen nach Verbündeten. Oft melden sie sich auch bei den Zeitungen. (...)

Wie viele Kosten entstehen durch die Zahlung von Schmiergeldern? Die Untersuchungen des Institutes EBOR zeigen, dass jedes fünfte Unternehmen seine Einnahmen auch durch Zahlung von Schmiergeldern erzielt. Das betrifft 18,6 Prozent aller Firmen. Es handelt sich dabei nicht um den Gewinn einer Firma, sondern um die Gesamteinnahmen. Diese "Ausgaben" machen einen großen Teil der gesamten Buchhaltung aus. Besonders jetzt, in der Zeit einer Wirtschaftskrise, wenn der Nettoumsatz niedrig ausfällt, macht dies schon viel aus.

Die Schmiergelder sind jedoch nur ein Teil der Folgen, die aufgrund der Berührung der Geschäftswelt mit dem Staate entstehen. Das Übermaß an Verordnungen und Gesetzen ist die Urquelle für die Korruption und zwingt die Manager dazu, Kontakte mit den Vertretern der Staatsverwaltung aufzunehmen. Die Angaben des Institutes EBOR sind auch in diesem Fall schockierend. Von der gesamten Arbeitszeit der Manager in Polen werden 9,5 Prozent für Kontakte mit verschiedenen Beamten verwendet. Für diese Zeit, die eigentlich in die Entwicklung der Firma investiert werden sollte, muss also die Firma auch bezahlen. Diesbezüglich nehmen wir übrigens die Spitzenposition in Europa ein, weil sogar die Manager in Russland weniger Zeit dafür aufwenden müssen.

Solch ein System kann sich jedoch nicht ewig halten, weil es irgendwann an dem "Schmieröl" mangelt. (...). "Ich habe das Gefühl, dass den Menschen klar wurde, dass sie sich bereits in der Wüste befinden. Die Zeit der Erfolge, die kurzfristig bemessen werden, ist endgültig vorbei und es mangelt an Ideen, wie es weiter gehen soll. (...). Die Geschäftsleute haben verstanden, dass in den Prinzipien, die sie bisher befolgten, etwas nicht stimmt", sagt Priester Professor Andrzej Szostek, Rektor der katholischen Universität in Lublin. (...)

Um alles zu verlieren, braucht man jedoch nicht einmal in die Welt der Intrigen einer politisch-geschäftlichen Clique zu geraten. Es reicht aus, dass man ein Konkurrent für jemanden ist, oder etwas besitzt, das jemand anders haben möchte. Diesbezüglich werden große Möglichkeiten im polnischen Insolvenzrecht geboten. Bei einer kleinen Portion bösen Willens kann man den Ruin jedes Betriebes verursachen und dessen Gut für "einen Appel und ein Ei" veräußern. Wie ist das möglich? (...)

Die Tätigkeit eines Insolvenzverwalters wird theoretisch von einem Richter überwacht, der jedes Quartal eine Analyse der Tätigkeit des Insolvenzverwalters durchführen sollte. In der Praxis jedoch enden diese Kontrollen mit der Bestätigung aller Schritte des Insolvenzverwalters und zwar auch jenen, die ernste Fragen hervorrufen. Die Ursachen für die Reaktion der Richter können entweder mit Inkompetenz oder mit Korruption zu tun haben. "Die Richter und Staatsanwälte, die sich mit der Wirtschaft beschäftigen, machen manchmal den Eindruck, als ob sie nur aufgrund des materiellen Profits arbeiten würden", stellt ein Jurist fest. (...)

Dank einer geschickten Anwendung des Insolvenzrechtes kann man aber viel erreichen: Die Konkurrenz ausschalten, die Gelder einer insolventen Firma auf das Konto einer anderen überweisen, oder ein gutes Grundstück für jemanden billig beschaffen. (...)

Man könnte noch vieles über die Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis schreiben, aber der Clou des Problems ist mit der Tatsache verbunden, dass, nachdem die Quellen für Schmiergelder immer weniger werden, sich die korrumpierte Welt des Beamtentums und die Geschäftsleute auf die Justiz in Polen ausrichten, die nicht reformiert wurde, in der nicht viel verdient wird, und wo man auf die Veränderungen in den Gesetzen und in der Wirtschaft nicht ausreichend vorbereitet wurde. (...) (Sta)