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Augen zu und durch

Melanie Nolte12. Mai 2005

Stoßstange an Stoßstange hängen die Autos in der US-Hauptstadt aneinander. Wer in Washington mit dem Auto von A nach B kommen will, wundert sich über gar nichts mehr.

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69 Stunden stehen Pendler pro Jahr im der US-Hauptstadt im Stau. Das hat die gerade erschienene nationale Studie des Verkehrsinstituts in Texas herausgefunden. Zwei Tage und 21 Stunden Warten. Deutlich mehr als jeder amerikanische Durchschnittsbürger beim Zähneputzen verbringt. Damit hat sich die Steh-Zeit der Autofahrer seit 1982 mehr als verdreifacht. Überboten wird das nur noch in Los Angeles und San Francisco.

Woran liegt's?

Nach Meinung von Verkehrsexperten ist es die Zersiedelung, die die Menschen für jeden Trip ins Auto zwingt. Andere sagen, die steigende Zahl der Einwohner ist für die Verstopfung verantwortlich, und dass die Dollars für neue Straßen momentan nicht gerade locker sitzen. Schlechtes Verkehrsmanagement ist ebenso ein Vorwurf.

Wer zum ersten Mal aus Europa nach Washington kommt, hat andere Erklärungen parat: verkehrstechnische Auffälligkeiten, die von der Statistik nur schwer erfasst werden. Deutsche, französische oder italienische Autofahrer würden sich hier die Haare raufen. Amerikas Hauptstadt hat drei Fahrertypen: Taxis, die grundsätzlich keine Verkehrsregeln befolgen außerdem Fahrer, die gemütlich mit ihrem Vehikel die Straße entlangrollen, und diejenigen, die es nicht eilig genug haben können.

Die omafreundlichen und auch ansonsten sehr höflichen Fahrer bremsen schon sanft, bevor überhaupt ein Stopschild in Sichtweise ist. Bei einer grünen Ampel nehmen sie sich dann ein paar Minuten Bedenkzeit, bevor sie das Gaspedal langsam nach unten drücken. Die anderen sind schneller dabei: Sie bremsen erst ganz knapp vor einem Fußgänger und schimpfen wie ein Rohrspatz. Was hat der Fußfritze auch genau in diesem Moment ihnen im Weg zu stehen?! Dann rauschen sie mit dem Gaspedal im Anschlag davon. Mit beeindruckenden Zickzack-Manövern versuchen sie, sich schnellstmöglich an allen vorbeizuschlängeln und mogeln sich in die kleinste Lücke.

Kollision der etwas anderen Art

Beide Fahrertypen vertragen sich überhaupt nicht, müssen sich aber leider ein- unddieselbe Straße teilen. So wird schnell die Hupe zum wichtigsten Instrument am Auto – dementsprechend hoch ist der Lärmpegel auf den Straßen. Eines haben sie jedoch gemeinsam: Sie können sich nicht für eine Spur entscheiden und wählen deshalb die "Goldene Mitte" – was dem Verkehrsfluss nicht gerade zuträglich ist.

Vielleicht ist es ja der im Vergleich zu Europa supergünstige Führerschein für 39 Dollar, der die Straßen zur Experimentierzone für Fahranfänger und die Ich-weiß-nicht-wie's-geht-aber-es-war-billig-Fahrer macht.