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"Aus Feinden sind Freunde geworden"

Nina Bednarz3. Februar 2003

Wie Wolgograd den Sieg über Hitler-Deutschland in Stalingrad vor sechzig Jahren feiert. Ein Bericht von Nina Bednarz.

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Kriegsveteranen und Präsident Putin gedenken der Hölle von StalingradBild: AP

Vor sechzig Jahren kapitulierte die deutsche Wehrmacht in Stalingrad, dem heutigen Wolgograd. Nach sechs Monaten
hatte die Rote Armee eine der grausamsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs gewonnen. Unfassbar groß war die Zahl der Opfer. Mehr als 150.000 deutsche Soldaten starben. Nur wenige deutsche Kriegsgefangene kehrten zurück. Die Verluste auf sowjetischer Seite waren noch höher. Eine halbe Million Rot-Armisten kamen ums Leben. Unter der Zivilbevölkerung gab es 100.000 Opfer.

Mit einer Militärparade auf dem Hauptplatz der Stadt ehrt Wolgograd jene Frauen und Männer, die vor sechzig Jahren die deutsche Wehrmacht in Stalingrad besiegt haben. Es sind nicht sehr viele Veteranen auf der Tribüne versammelt. Die meisten sind inzwischen gestorben. Um so mehr freuen sich die Überlebenden, bei den heutigen Feierlichkeiten dabei zu sein. Unter ihnen auch Viktor Tschumasow: "Ich kann das gar nicht in Worte fassen. Ich bin dem Schicksal so dankbar, dass ich damals als 18-Jähriger Wehrpflichtiger Stalingrad
verteidigen konnte." Und sein ehemaliger Kamerad meint: "Ich bin sehr glücklich, dass ich das noch erleben darf. Mit Stolz treffe ich hier meine ehemaligen Kameraden."

Auch junge Leute haben sich an diesem sonnigen Morgen rund um den "Platz der gefallenen Kämpfer" versammelt. Ihnen ist es wichtig, die Veteranen auch sechzig Jahre nach der Schlacht von Stalingrad zu ehren. Eine junge Frau sagt: "Wir Jungen verstehen nicht, wie feierlich dieser Moment ist. Das können nur die Veteranen. Aber wir danken ihnen dafür, dass sie unser Land gerettet haben und wir heute in Frieden leben."

An den vielen Gedenkstätten der Stadt legen Menschen Kränze nieder, finden Schweigeminuten statt.

Russlands Präsident Wladimir Putin dankt den Veteranen und erinnert an die vielen Toten von Stalingrad. Die Russen hätten einen sehr hohen Preis bezahlt für den Sieg. Aber auch die Deutschen hatten viele Tote zu beklagen, sagte der russische Präsident. Die hohen Opferzahlen sollen eine Mahnung sein, forderte er: "Dieser tragische Preis ist eine schreckliche Lehre aus dem Krieg. Wir sehen, wie dieses Kapitel der Geschichte im heutigen Deutschland bewertet wird. Welche Achtung man den gefallenen sowjetischen Soldaten entgegen bringt. Wir werden fortfahren, die Beziehungen zu allen Staaten zu vertiefen, um die internationale und europäische Sicherheit zu gewährleisten."

Auch Hans Friedrich von Ploetz, der deutsche Botschafter in
Russland, ist bei den Feierlichkeiten in Wolgograd dabei. Er zeigt sich tief beeindruckt von der Großherzigkeit, mit der Russen den Deutschen heute begegnen: "Die Leute, die so unendlich tief gelitten haben - und viele leiden ja auch noch heute darunter - sagen: Wir sind froh, dass wir heute
mit den Deutschen in Freundschaft leben. Da kann man eigentlich nur dankbar sein und aus vollem Herzen sagen: Wir auch."

Sechzig Jahre nach der Schlacht von Stalingrad sind aus Feinden Freunde geworden.