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Aus Mangel an Vertrauen

(stl)12. November 2002

Die Euro-Skepsis in Großbritannien wächst. Gründe sind die derzeit schwache Wirtschaftslage in der Euro-Zone und der Verstoß Deutschlands gegen das Defizitkriterium von drei Prozent.

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Demonstration gegen die Euro-Einführung in LondonBild: AP

Unter britischen Geschäftsleuten wachsen die Bedenken, der Euro-Zone beizutreten. Das ergab eine aktuelle Umfrage der britischen konservativen Zeitung "Daily Telegraph" unter 21 Top-Ökonomen. 1997 hatte die britische Regierung fünf Kriterien aufgestellt, mit denen sie messen wollte, ob der Euro positive oder negative Auswirkungen auf die britische Wirtschaft haben wird. In der Umfrage erwarten nur zwei Ökonomen, dass diese Kriterien erfüllt werden, 15 äußern sich pessimistisch.

Viele der befragten Experten nannten die angeschlagene deutsche Wirtschaft als Hauptgrund für ihre Vorbehalte. Sie sehen eine wachsende Kluft zwischen der wirtschaftlichen Entwicklung in Großbritannien und Deutschland. Die Fakten scheinen ihnen Recht zu geben. Während das Wirtschaftswachstum in Großbritannien derzeit bei 1,5 Prozent liegt, ist es in der Eurozone nur halb so hoch. Die Konsumnachfrage stieg auf den britischen Inseln um mehr als drei Prozent, im Rest Europas dümpelt sie bei weniger als einem Prozent. Auch die Arbeitslosenquote in Großbritannien ist mit etwa vier Prozent nur halb so hoch wie der EU-Durchschnitt.

Gemeinsame Wirtschaftspolitik keine Lösung

Angesichts dieser Fakten fällt es schwer, den Zusammenhang zwischen dem Euro und der schlechten Wirtschaftslage in Europa herunterzuspielen. Einst vom deutschen Kanzler als "Europas Schlüssel zum 21. Jahrhundert" beschrieben, hat der Euro Deutschland in dessen Versuch, aus dem wirtschaftlichen Schlamassel herauszukommen, gelähmt. Dieses Szenario, so behaupten Kritiker jenseits des Ärmelkanals, habe gezeigt, dass eine für alle gleiche Wirtschaftspolitik einfach nicht funktioniert.

Dennoch, der Euro bietet auch positive Effekte. So hat die einheitliche Währung den Handel zwischen den Ländern der Euro-Zone beträchtlich angekurbelt, seit 1998 um rund 20 Prozent. In Deutschland nahm der Handel mit anderen EU-Staaten um 4,8 Prozent bezogen auf das Bruttoinlandsprodukt zu. Das einzige Land in Europa, dessen Handelsvolumen mit den EU-Mitgliedsstaaten sank, ist Großbritannien.

Euro-Zone attraktiv für Investoren

Das fehlende Währungsrisiko macht die Euro-Zone immer attraktiver für Investoren. Das kann auch Großbritannien nur schwer leugnen. So wird der britische Anteil an Investitionen in der EU von 28 Prozent in 1998 auf voraussichtlich fünf Prozent in diesem Jahr fallen. Dies zeigen die jüngsten Zahlen der UNCTAD (Organisation der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung), über ausländische Direkt-Investitionen. Frankreich und Deutschland haben damit zum ersten Mal seit 1984 mehr Investoren locken können als Großbritannien.

Das Verhältnis Großbritanniens zur Einheitswährung ist deshalb nicht als völlig ablehnend zu beschreiben, es ist vielmehr zwiespältig. Das zeigt sich in einer aktuellen Studie der Engineering Employers Federation, dem britischen Arbeitgeberverband der verarbeitenden Industrie. Trotz der wirtschaftlichen Schwäche der Euro-Zone, sehen britische Fabrikanten die Einführung des Euro als unvermeidbar an. Mehr als die Hälfte der Befragten zeigten zwar Vorbehalte, hielten einen Beitritt zum Euro für 2005 aber für "wahrscheinlich".

Keine andere Wahl

Die Stimmung unter den Geschäftsleuten trifft die der öffentlichen Meinung. Noch sind zwei Drittel der Briten gegen einen Beitritt zur Währungsunion. Allerdings glauben vier Fünftel, dass er unvermeidlich ist und Großbritannien Ende des Jahrzehnts der Euro-Zone beitreten wird. Anfang dieses Jahres sagte der britische Regierungschef Tony Blair, er sei "leidenschaftlich" davon überzeugt, dass es Großbritanniens "Schicksal" sei, zum Herzen Europas zu gehören. Vielleicht haben die Briten dieses Schicksal bereits akzeptiert - allerdings ohne Leidenschaft.