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Aus wirtschaftlichen Gründen ins Ausland

Ivica Petrovic/ Dijana Roscic12. Januar 2013

Serbien leidet unter der Abwanderung von gut ausgebildeten Fachkräften. Besonders die Kriege im ehemaligen Jugoslawien haben in den 1990er Jahren zu einer massiven Emigrationswelle geführt.

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--- DW-Grafik: Peter Steinmetz

Nur der westafrikanische Staat Guinea-Bissau leidet noch schlimmer als Serbien unter dem Phänomen des "brain drain" – der Emigration der am besten ausgebildeten Fachkräfte. Zu diesem Ergebnis ist eine Studie des World Economic Forum ("Global Competitiveness Report") gekommen, bei der 133 Länder analysiert wurden. Darauf beruft sich der Soziologe Vladimir Grecic von der Universität Belgrad in seinem Buch "Die serbische wissenschaftliche Diaspora".

"Leider führt Serbien keine fundierten Statistiken über die Zahl der Hochqualifizierten, die das Land verlassen haben", sagt Grecic. "Das Statistische Amt in Serbien ist nicht in der Lage, die Datensätze über die Auswanderung von Serbien zu erstellen und es gibt auch sonst keine wissenschaftliche Institution, die sich mit dieser Frage beschäftigt."

Keine Statistiken über Auswanderung

Nach Angaben des deutschen Statistischen Jahrbuchs 2011 lebten 2010 in der Bundesrepublik fast 200.000 Serben. Im Durchschnitt sind sie 36,5 Jahre alt – damit liegen sie unter dem Durchschnittsalter in Serbien (41,2 Jahre). Im Schnitt leben sie schon seit 19,8 Jahren in Deutschland. Im Vergleich zu 2009 ist die Zahl der Serben in Deutschland um 8,6 Prozent gestiegen.

Laut dieser statistischen Angaben leben fast 100.000 Menschen aus dem ehemaligen "Serbien und Montenegro" in Deutschland. Eine Trennung der Staatsangehörigkeit der beiden Nachfolgestaaten "Serbien" und "Montenegro" wird erst seit August 2006 vorgenommen. Auch die Zahlen für das Kosovo werden erst seit Mai 2008 getrennt nachgewiesen.

Serbien - ein Auswanderungsland

Serbien war schon immer ein Auswanderungsland, sagt Soziologe Grecic. In den 1990er Jahren wählten die meisten serbischen Migranten die USA, Kanada, Australien und Neuseeland als neue Heimat. Nach dem Jahr 2000 verlagerte sich der Schwerpunkt der Auswanderung auf die Länder der Europäischen Union.

Nach der Jahrtausendwende habe sich auch die Struktur der Arbeitskräfte, die Serbien verlassen, geändert, sagt Professor Grecic. "Anstelle von nicht oder gering qualifizierten Arbeitskräften sind es jetzt Menschen mit einer Berufsausbildung, sehr oft aus dem technischen Bereich."

Ein Hauptgrund für die Auswanderung in den 1990er Jahren sei die politische Situation gewesen, der Krieg und die internationalen Sanktionen gegen das damals von Slobodan Milosevic regierte Serbien. "Doch auch in dieser Zeit waren wirtschaftliche Gründe sehr zentral", erläutert Grecic.

Kriegsbedingte Emigrationswelle

"Hinter der Emigration stecken immer gemischte Gründe", betont auch Danilo Rakic von der serbischen Nichtregierungsorganisation Grupa 484. "Armut, Instabilität, Kriege und internationale Sanktionen haben zu einer größeren Welle der Migration seit den 1990er Jahren bis heute geführt. Es wurden Länder gewählt, von denen man glaubte, am besten Unterschlupf zu finden." Zum Beispiel Deutschland.

"In Deutschland haben viele Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien Verwandte", sagt Rakic. "Also ist es nicht verwunderlich, dass unter den Migranten in Deutschland, Schweden, Belgien und der Schweiz bei den Asylbewerbern oder Gastarbeitern am häufigsten Serben zu finden sind."

Doch es gibt auch Serben, die wieder aus Deutschland zurückkehren. Rade Nicolic ist nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Belgrad mit Hilfe der Zoran-Djindjic-Stiftung nach Deutschland gekommen. Er wollte sich beruflich weiterbilden und hat im Jahr 2010 ein Praktikum bei der Deutschen Bank absolviert.

"Junge Menschen bekommen hier nicht genug Chancen"

"Während des Praktikums wollte ich nicht in Deutschland bleiben, sondern in Serbien arbeiten", erzählt der junge Akademiker. "Aber wenn ich langfristig mit der Situation in Serbien unzufrieden wäre, könnte ich durchaus im Ausland leben. Doch zunächst will ich versuchen, im eigenen Land erfolgreich zu sein."

Wenn er sich eines Tages entscheiden würde, das Land zu verlassen, wäre die wichtigste Motivation wirtschaftlicher Natur, sagt Rade Nicolic. "Ich denke, den meisten jungen Menschen in Serbien geht es ähnlich. Sie ziehen ins Ausland, weil sie hier nicht genug Chancen bekommen." Aus finanziellen Gründen könne auch ein berufstätiger junger Mensch in Serbien kaum unabhängig von seinen Eltern werden, beklagt Nicolic. Außerdem gebe es nicht genug Weiterbildungsmöglichkeiten.

Porträt von Rade Nikolic (Foto: DW)
Rade Nikolic denkt noch nicht an eine AuswanderungBild: Ivica Petrovic
Foto von Slobodan Milosevic (Foto:Darko Vojinovic, File/AP/dapd)
Die politische Situation unter Milosevic drängte viele zur EmigrationBild: dapd
Serbische Pässe (Foto: N. Jakovljevic / DW)
Die Emigration aus Serbien - kein neues PhänomenBild: DW