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Ausgebrütet

Eva Mehl

Kinderkarussells, Wasserrutschen und Sumo-Ringer: Wo einst in Kalkar das Kernkraftwerk ans Netz gehen sollte, strahlen heute die Augen der Freizeitparkbesucher. Das Möchtegern-Kraftwerk heißt jetzt Kernwasserwunderland.

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Kernwasserwunderland in KalkarBild: Kernwasser Wunderland

Um den "Schnellen Brüter", der nie ans Netz ging, tummeln sich heute statt Atomkraftgegner nur noch Touristen. Was als Kernkraftwerk in Kalkar geplant war, ist nun ein familienfreundlicher Freizeitpark auf 290.000 Quadratmetern. Einen Überblick über Kernwasserwunderland gewinnt, wer die Kühlturmwand empor klettert: 45 Meter vorbei an grünen Tälern, Flüssen und einem strahlend blauen Himmel. Der graue Beton-Kühlturm von einst ist mit einer Alpenlandschaft bepinselt, an die Außenwand sind Klettervorrichtungen montiert.

Erholung statt Kernspaltung

Nicht nur Freeclimben am Kühlturm lässt die Besucherherzen höher schlagen. Wer will, kann eintauchen in die Tiefen des ehemaligen Reaktorkerns. Dort verbirgt sich eine Unterwasserlandschaft mit Pflanzen und Fischen. Ob Wildwasserbahn fahren, Badminton spielen, Sumoringen, Bogenschießen oder Hufeisenwerfen: Für ein 30-Euro-Ticket gibt es all-inclusive auch noch viel Fritten und Eis.

Ausgebrütet hat Kernwasserwunderland ein ehemaliger Schrotthändler: Hennie van der Most aus den Niederlanden übernahm 1991 die abgerüstete Atomruine für sieben Millionen Mark. Aus dem Werkstattgebäude wurde eine Tennishalle, das Informationszentrum beherbergt heute ein Fondue-Restaurant und im Transformator-Gebäude befindet sich ein Englischer Pub. Draußen vor dem ehemaligen Reaktor stehen Hotels, in denen Gäste am ägyptischen Büffet, auf der Sonnenterrasse oder im Wintergarten speisen oder Tagungen abhalten. Am Abend erleuchtet "Kernie´s Kneipenstraße" mit Westernsaloon, Irish-Pub, Weinkeller, Live-Musik und Bierausschank.

Kampf um den "Schnellen Brüter"

Wer mehr über die strahlende Vergangenheit des Reaktors wissen will, folgt einer ausgeschilderten Route ins Reaktor-Labyrinth. Auf Knopfdruck wird der Besucher in eineinhalb Stunden über die einzelnen Stationen des "Schnellen Brüters" informiert.

Vor 26 Jahren tobte in Kalkar eine wilde Schlacht zwischen Atomgegnern und der Polizei gegen den Bau der Plutoniumfabrik vom Typ "Schneller Brüter". Nach jahrelangem Widerstand von Bürgerinitiativen und Umweltschutzgruppen kam 1991 das endgültige Aus. Das umstrittene Acht-Milliarden-Mark-Projekt wurde als Fehlinvestition abgeschrieben.

Strahlende neue Freizeitwelt

Heute kann der Besucher in der Atomruine die verfehlte Energiepolitik sinnlich erfahren oder im Vergnügungspark einfach nur Dampf ablassen. Für 2003 erwartet das weltweit einzigartige Kernwasserwunderland eine Million Besucher. Schützenvereine und Kegelclubs nehmen am Wochenende die Hotelbetten in Beschlag, Eltern und Kinder drängen auf Karussells, Minigolfplätze und Kartbahnen. Damit der Freizeitpark auch an Wochentagen schwarze Zahlen schreiben und in eine strahlende Zukunft blicken kann, hat Kernwasserwunderland das Maskottchen "Kernie" als Wegweiser: eine Atomarbeiterfigur in blauer Montur und Mütze.