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Ausländische Pressestimmen: Merkels Strohhalm

2. Juli 2010

Die meisten ausländischen Kommentatoren glauben, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der mühsamen Wahl von Christian Wulff zum Staatsoberhaupt geschwächt dasteht.

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Symbolbild Presseschau (Quelle: DW)
Bild: DW

"Hufvudstadsbladet" (Helsinki, Finnland): Merkels Strohhalm

Man muss sich jetzt fragen, ob diese Regierung eine ganze Legislaturperiode im Amt bleiben kann. Die stärkste Trumpfkarte von Kanzlerin Angela Merkel soll darin bestehen, dass es innerhalb der CDU keinen Herausforderer gibt. Das passt schlecht zusammen mit dem Bild Merkels als 'Eiserner Lady'. Es klingt eher nach einem Strohhalm. Jetzt hat die Kanzlerin ein bisschen Zeit, weil sechs Landtagswahlen erst im nächsten Jahr anstehen. Auch wenn derzeit keine eindeutigen Kronprinzessinnen oder -prinzen zu finden sind, können die sehr schnell auf der Bühne erscheinen.

"Le Figaro" (Paris, Frankreich): Geschwächte Kanzlerin

Die mühsame Wahl des CDU-Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten zeigt, wie geschwächt die Kanzlerin in ihrem eigenen Land ist. Sie hat diese Prüfung nicht unbeschadet überstanden. Lange Zeit wurde sie als die profilierteste politische Persönlichkeit Europas betrachtet, doch die europäische Diskussion um die Krise in Griechenland hat ihre Autorität ausgehöhlt. Jetzt kann sie nicht mehr internationales Handeln nutzen, um ihr Image aufzupolieren, und hat große Mühe, Ordnung in den eigenen Reihen und bei ihren Verbündeten zu schaffen. Merkel braucht mehr denn je einen anhaltenden Aufschwung der Konjunktur, um vor den Landtagswahlen Anfang 2011 ihre politische Zukunft zu sichern.

"Information" (Kopenhagen, Dänemark): Eine Warnung

Kanzlerin Angela Merkel wurde nur vor der totalen Demütigung gerettet, weil die Partei Die Linke nicht für den sozialdemokratischen Kandidaten Joachim Gauck stimmen wollte. Trotz des abschließenden Sieges für Christian Wulff war der Wahlprozess eine ernste Warnung an Merkel. Sie muss erkennen, dass es in ihrer eigenen Partei nicht mehr weit bis zur Meuterei ist. (...) Die Kanzlerin hat den kühlen Überblick und kompetente Ruhe zu ihren Markenzeichen gemacht. (...) Aber dass Wulff trotz solider Mehrheit keinen klaren Sieg einfahren konnte, ist ein klares Signal, dass starke Kräfte in der eigenen Partei den abwartenden Führungsstil ohne konkrete Ergebnisse gründlich satt haben.

"Nepszava" (Budapest, Ungarn): Netter Präsident

Angela Merkel hat ihr Ziel erreicht. Die schleppend-quälende Kür in der Bundesversammlung kam allerdings einer Ohrfeige für sie gleich. Die vielen Abstimmungs-Abweichler warfen ein bezeichnendes Licht auf den zerrütteten Zustand ihrer Koalition. Dabei wird der als 'netter Mensch' geltende Christian Wulff gewiss ein guter Staatspräsident werden, denn schon als Ministerpräsident von Niedersachsen war er nicht schlecht. Die Mehrheit der Bevölkerung wird in in ihr Herz schließen. Und seine bisherige Chefin Merkel wird auch nicht zu befürchten haben, dass er ihr beim Gegenzeichnen der Gesetze Schwierigkeiten macht.

Redaktion: Thomas Grimmer