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Auslandsgeschäfte als Sicherheitsrisiko

9. September 2009

Deutsche Unternehmen errichten oft Standorte im Ausland und setzen Mitarbeiter weltweit ein. Das eröffnet dem Geschäft Chancen. Doch in vielen Ländern gibt es große Sicherheitsrisiken. <I>Von Sabine Kinkartz</i>

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Ein Soldat der Bundesmarine hält am Horn von Afrika Ausschau nach Piraten (Foto: dpa)
Risiko PiraterieBild: picture-alliance/dpa

Deutschland ist Exportweltmeister und eines der wohlhabendsten Länder der Welt. Das wäre ohne die Globalisierung nicht möglich. Für Jochen Homann, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, ist Deutschland daher ein Profiteur der weltweiten Vernetzung der Märkte. "Das Exportvolumen der deutschen Volkswirtschaft beträgt 47 Prozent des Bruttoinlandsprodukts", sagt Homann. Die Bedeutung importierter Vorleistungen nehme zu, auch das grenzüberschreitende Unternehmensengagement. Insgesamt eröffne die wachsende Einbindung in die Weltwirtschaft deutschen Firmen enorme Chance, so Homann.

Doch wo es Chancen gibt, da gibt es in der Regel auch Risiken. Seit dem Ende des Ost-West-Konflikts ist die Welt keineswegs sicherer geworden und das spüren auch die Unternehmen. Sich auf Kriege, zerfallende staatliche Ordnung und Konflikte aller Art einzustellen, sei für für Unternehmen eine "dauernde Herausforderung", sagt etwa Thomas Menk, Leiter der Konzernsicherheit der Daimler AG und Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Sicherheit der Wirtschaft (ASW). "Ganz allgemein wird die Planbarkeit von Wirtschaftsprozessen und damit Entwurf und Durchführung von Langzeitstrategien schwieriger", so Menk.

Sobald ein global tätiges Unternehmen die befriedeten Räume Europas und Nordamerikas verlasse, sagt Menk, begebe es sich potenziell in Gefahr. Dabei geht es um Risiken, die jenseits der normalen wirtschaftlichen Gefahren liegen. Werksspionage, Produktpiraterie, Cyberattacken und steigende Versicherungsprämien sind dabei der geringste Teil, glaubt Staatssekretär Homann. "Deutsche Unternehmen sind damit konfrontiert, dass Mitarbeiter und deren Familien durch Entführung und Lösegelderpressung bedroht sind." Als weitere Gefahren nennt Homann Terroranschläge, Sabotageakte "fortschrittsfeindlicher Maschinenstürmer", Schmiergeldforderungen oder Piraterie.

Piratenangriffe im Golf von Aden 2008 (DW-Grafik)
Piratenangriffe im Golf von Aden 2008

Schutz vor den vielfältigen Bedrohungen ist nicht so leicht zu erbringen. Das ist beispielhaft derzeit am Horn von Afrika zu beobachten, wo sich nicht nur die deutsche Marine darum bemüht, Handelsschiffe vor Angriffen von Piraten zu schützen.

Auch wenn es darum geht, für Sicherheit in instabilen Ländern zu sorgen, läuft nur selten alles nach Plan, findet der ASW-Vorsitzende Menk. "Auffällig ist, dass die Sicherheitsmechanismen der Vereinten Nationen und der NATO dem Anspruch der schnellen und wirksamen Eindämmung internationaler Konflikte nicht gerecht werden." Solche Konflikte wirkten sich zudem dauerhaft negativ auf die wirtschaftlichen Zusammenhänge aus, fügt er hinzu.

Denn wo die staatliche Ordnung nicht funktioniert, kann auch der Wirtschaft keine Sicherheit garantiert werden. Und die Welt wird nicht sicherer, im Gegenteil. Sicherheitsexperten wie der Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik, Volker Perthes, warnen vor einer Zunahme weltweiter Konflikte. Und zwar jenseits von zwischenstaatlichen Auseinandersetzungen.

Allein die globale Wirtschaftskrise, sagt Perthes, führe zu geopolitischen Auswirkungen, die heute noch niemand abschätzen könne. "Wir beobachten jetzt schon, dass westliche Industriestaaten und andere reiche Länder, etwa in den Golfstaaten, immer weniger bereit sind, genügend Ressourcen für Konfliktmanagement, für Konfliktprävention, Verteidigung, Diplomatie und Entwicklungsarbeit zur Verfügung zu stellen", so Perthes. Einige reiche Länder reduzierten zudem ihre Auslandsinvestitionen und schickten Arbeitsemigranten zurück in deren Heimat.

Gescheiterter Staat: Somalia
Gescheiterter Staat: SomaliaBild: AP

Das trifft vor allem jene Länder, die Arbeitskräfte und Rohstoffe exportieren. Sie werden geschwächt und können die Grundbedürfnisse ihrer Bevölkerung immer weniger sichern. Ein Anwachsen von organisierter Kriminalität und Gewalt schwächt diese Staaten dann weiter, sagt Perthes. "Diese Staaten können dann sehr viel leichter als vorher in regionale Turbulenzen hineingezogen werden." Manche lösen Turbulenzen auch selbst aus, etwa weil sie Terroristen oder kriminellen Netzwerken als Basis für grenzüberschreitenden Aktionen dienen, oder weil es zu unkontrollierten Migrations- und Fluchtbewegungen kommt, sagt Stiftungsdirektor Perthes.

Die Welt müsse sich darauf einstellen, dass die Lage im Jemen, in Mauretanien, in Kirgisistan, Sierra Leone oder im Tschad schon morgen genauso instabil sein könnte wie heute in Somalia, so Perthes. In der Regel treffe es vor allem Länder, die eigentlich große Wachstumschancen bieten.

Exporterfolge: Militärgerät aus Deutschland
Exporterfolg: deutsches MilitärgerätBild: dpa

Grundsätzlich könne die Wirtschaft daran nichts ändern, so Perthes. Doch Unternehmen müssten sich bewusst sein, dass ihre Aktivitäten Konflikte auch verschärfen können. "Das gilt für private Militärfirmen, die oft die staatliche Autorität unterminieren. Das gilt für eine Reihe von Unternehmen, die staatsfreie Räume ausnutzen, etwa mit Rohstoffen aus Bürgerkriegsgebieten handeln, oder für Unternehmen, die Rüstungsgüter und hochsensible Technologien an problematische Akteure und problematische Staaten verkaufen."

Für Unternehmen, die mit solchen Geschäften nichts zu tun haben, bleibt nur, die Sicherheitsrisiken in den einzelnen Ländern genau zu analysieren. Dann müssen sie entscheiden, ob es sich lohnt, in der betreffenden Region aktiv zu werden.

Autorin: Sabine Kinkartz

Redaktion: Andreas Becker