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Auslaufmodell Arafat?

9. Dezember 2001

In einem versuchten Befreiungsschlag erklärte Palästiner-Präsident Arafat, "extremistische Elemente" in Israel wollten den Friedensprozess zerstören. In Israel, aber auch in den USA, sieht man das etwas anders.

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Israels Premierminister Ariel Sharon und Palästinenserführer Yasser ArafatBild: AP

Die USA geben Jassir Arafat noch mal eine Chance - viele wird es wohl nicht mehr geben. Nach den jüngsten Attentaten in Israel war in der US-Regierung eine interne Diskussion entbrannt, ob der Palästinenserpräsident als Auslaufmodell zu verwerfen sei. Vorerst konnten sich jene Kräfte durchsetzen, die vor Anarchie in einer Nach-Arafat-Ära warnten. Diese Entscheidung sei allerdings "nicht in Stein gemeißelt", sagte ein hoher Regierungsmitarbeiter. Arafat müsse jetzt beweisen, dass er wirklich entschlossen sei, gegen den Terrorismus vorzugehen. Seine Glaubwürdigkeit in Washington stehe auf dem Spiel.

Arafat ergriff zwar in den vergangenen Tagen einige Maßnahmen gegen radikale Palästinenser. Doch nicht nur in Israel, auch in den USA werden diese Maßnahmen mit Skepsis gesehen. Zu oft setzte die palästinensische Autonomiebehörde festgesetzte Aktivisten schon wenig später wieder auf freien Fuß. Präsident George W. Bush sei sehr beunruhigt darüber, dass die palästinensischen Gefängnisse "weiter mit Gittern an der Fassade und Drehtüren auf der Rückseite" ausgestattet seien, merkte sein Sprecher Ari Fleischer sarkastisch an.

Bush meidet Begegnung mit Arafat

Bush hat Arafat von Anfang an mit viel größerer Skepsis betrachtet als sein Vorgänger. Zu Zeiten Bill Clintons war der Palästinenserchef ein gern gesehener Gast im Weißen Haus. Bush mied dagegen bislang jede persönliche Begegnung mit Arafat. Diese diplomatische Herabstufung ist als Druckmittel gedacht: Arafat solle erst dann mit einem Treffen mit Bush belohnt werden, wenn er entschlossen gegen die Extremisten vorgeht, sagt Daniel Brumberg, Nahostexperte der Georgetown-Universität in Washington.

Doch jenseits solcher taktischer Distanzierungen von Arafat sind in der Bush-Regierung die Zweifel weiter gewachsen, ob der 72-Jährige überhaupt noch für den Friedensprozess taugt oder sein Rückhalt in der eigenen Bevölkerung inzwischen zu stark gebröckelt ist. Der Palästinenserchef müsse jetzt "Führerschaft zeigen. Jetzt ist seine Zeit", warnte Bush nach den jüngsten Selbstmordanschlägen. Auch verzichtete die US-Regierung auf den sonst üblichen Appell an Israel zur Zurückhaltung. Vielmehr betonte das Weiße Haus das israelische Recht auf "Selbstverteidigung".

Fehlende Alternativen

So entspringt denn auch die Entscheidung der US-Regierung, vorerst an Arafat festzuhalten, weniger der Überzeugung von dessen Fähigkeiten als der Ansicht, dass es derzeit an Alternativen fehle. Die US-Regierung befürchtet, dass eine weitere Schwächung Arafats zum Kollaps der Autonomiebehörde und damit ins Chaos münden könnte. Und wenn Arafat nicht selbst gegen die radikalen Bewegungen Hamas und Islamischer Dschihad vorgeht, dann würden dies die Israelis tun - was den Konflikt nur noch weiter eskalieren lassen könnte. Die USA hätten es in der Vergangenheit allerdings selber versäumt, eine Alternative zu Arafat aufzubauen, der in der palästinensischen Bevölkerung auch wegen seines "korrupten und autoritären Regierungsstils" an Kredit eingebüßt habe, sagt Ilan Berman vom Amerikanischen Rat für Außenpolitik.