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Politik

Ausrüstungsmängel behindern Polizeiarbeit in der EU

Richard A. Fuchs
2. November 2017

Europa soll ein gemeinsamer Raum der Sicherheit sein, sagt der EU-Vertrag. Doch die Realität sieht laut Polizeigewerkschaften anders aus. Besonders an den EU-Außengrenzen sei mangelhafte Ausrüstung ein Risiko.  

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Slowenien Polizeistiefel bei Demo
Bild: Getty Images/AFP/J. Makovec

Ausgelatschte Polizeistiefel stellen ein Sicherheitsrisiko dar. Auf den ersten Blick wirkt eine solche Aussage überzeichnet, vielleicht etwas bemüht. Doch wer am Donnerstag in Berlin Vertretern europäischer Polizeigewerkschaften zuhörte, der merkte schnell: Schlechte Polizeiausstattung vom Schuhwerk bis zum Helm kann in der Tat zum Sicherheitsrisiko werden. "Wer kaputtes Equipment hat, der tut sich schwer damit, seinen Job ordentlich zu machen", erinnerte Gerrit van de Kamp Politiker an ihre Verantwortung, den Sonntagsreden bei Sicherheitskonferenzen auch finanzielle Zusagen bei der Ausstattung von Polizeikräften folgen zu lassen.  Der gebürtige Niederländer ist Präsident der Europäischen Polizei Union (EPU), eine Art Dachverband für die nationalen Polizeigewerkschaften auf dem Kontinent. Nach eigenen Angaben vertritt die Organisation rund 800.000 Polizistinnen und Polizisten.

Studie: Ausrüstungsmängel vor allem an EU-Außengrenzen

Jetzt stellte der Interessensverband die Ergebnisse einer Online-Umfrage unter Polizisten aus 15 Ländern Europas vor. Die Antworten von 780 Beamten wurden dafür ausgewertet. Das Fazit sei ernüchternd, sagt Studienkoordinator Niksa Nicodinovic. "Insbesondere in osteuropäischen Ländern hat die mangelhafte Ausrüstung Polizeikräfte schon vielfach das Leben gekostet." Während die Polizeieinheiten in den Niederlanden, Deutschland oder Österreich überwiegend gut bis sehr gut ausgerüstet seien, fehlten in Bulgarien, Rumänien, Kroatien oder Bosnien einfachste Mittel.

Polen kaputtes Auto
Besonders in Mittel- und Osteuropa steht es nicht gut um die Ausrüstung der Polizei - dazu kommt Zerstörung durch Vandalismus wie hier in PolenBild: Getty Images/AFP/W. Radwanski

Oft gebe es keine kugelsicheren Schutzwesten, die Uniformen seien veraltet oder für die entsprechende Witterung völlig ungeeignet. Diensthandys und moderne Kommunikation seien Fremdworte. Nur Handschellen und Pistole und eine Sirene auf dem Dach von Polizeiautos, das findet sich bei allen Polizeikräften kreuz und quer in Europa. Und das sei deutlich zu wenig, finden die Polizeigewerkschafter. "Wenn wir einen gemeinsamen Raum der Sicherheit in Europa wollen, dann brauchen wir auch Mindeststandards für diejenigen, die das sicherstellen sollen", forderte Rainer Wendt, Vorsitzender der deutschen Polizeigewerkschaft.

Die Unterschiede bei der Ausrüstung von Polizisten seien so groß, dass insbesondere an den EU-Außengrenzen in Bulgarien oder Rumänien kein Dienst möglich sei, beklagte Nicodinovic. "Polizeikräfte mit kaputten Schuhen, die scheren sich  - mit Verlaub gesagt - einen Dreck darum, ob die Daten von durchreisenden Migranten ordentlich aufgenommen werden." Zudem sorge das niedrige Durchschnittsgehalt eines bulgarischen Polizisten dafür, es liegt bei kaum mehr als 300 Euro im Monat, dass die Motivation und der Einsatzwille sinken.  

Bulgarien Polizeidemo
Bulgarische Polizisten demonstrieren gegen schlechte Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Symbolisch haben sie sich selbst angekettet.Bild: Getty Images/AFP/D. Dilkoff

Mindeststandards für Bekleidung, Bewaffnung, Kommunikation und Transport

Die Polizeigewerkschaften fordern deshalb unisono: es bedürfe europaweiter Mindeststandards für die Bekleidung und die Ausrüstung von Polizisten. An dieser Stelle seien einheitliche EU-Standards, die angesichts der nationalen Hoheit über die Polizeikräfte schwer durchsetzbar sind, besonders dringlich, sagte Rainer Wendt. In Schaubildern legten die Gewerkschaftler dann dar, was europäischer Standard sein sollte, also was die Polizisten am Körper tragen sollten, und welche Ausrüstung im Polizeiwagen vonnöten sei.  

Es gebe aber auch Lichtblicke, so Wendt weiter. Gerade im Bereich der europäischen Zusammenarbeit von Spezialkräften, die bei Terrorangriffen oder Extremlagen zum Einsatz kommen, seien Ausstattung und Training auf einem "sehr hohen Niveau". Dies wünsche er sich auch für den normalen Streifenpolizisten. "Da gibt es einen Stand, der Europa nicht würdig ist."  In Deutschland nimmt der Polizeigewerkschafter eine Trendwende wahr. Bund und Länder bemühten sich seit gut zwei bis drei Jahren deutlich stärker als früher, die Ausrüstung der Polizei zu verbessern.

"Allerdings bleiben die Unterschiede zwischen den Bundesländern teilweise eklatant", gab Wendt zu bedenken. Im Gegensatz zu vielen Ländern Mittel- und Osteuropas habe man hier aber "schon einen sehr hohen Standard" erreicht. Doch insbesondere die Beschaffung von Ausrüstungsgütern macht in Deutschland Sorgen, so Wendt weiter. Die dezentrale Struktur, die für jedes der 16 Bundesländer eine Polizei und zudem eine Bundespolizei vorsieht, erschwere einen sinnvollen Kauf von Schutzkleidung, Waffen und Material. "Ich glaube, dass der Fehler genau da liegt, dass wir Beschaffungsvorgänge immer 16- oder 17-mal machen", so Wendt.  

Deutschland Symbolbild SEK
Ein Polizist eines deutschen Spezialeinsatzkommandos: Von dieser Ausrüstung können Beamte in Bosnien nur träumen. Bild: picture alliance/dpa/J. Wolf

Europas oberster Polizeigewerkschafter, Gerrit van de Kamps, richtete zum Abschluss einen dringlichen Appell an die kommende Bundesregierung. Die innere Sicherheit werde an den EU-Außengrenzen verteidigt, so sein Credo. Es gelte jetzt, jene Versprechen einzulösen, die nach jedem Terroranschlag gebetsmühlenartig wiederholt würden. Dann würde im Gleichklang erklärt, man wolle bei der Terrorbekämpfung und bei der Polizeiarbeit besser zusammenarbeiten. Aber, so van de Kamps: "Wie oft kann man eigentlich noch sagen, dass wir in Zukunft besser zusammenarbeiten wollen?"