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Hurra, wir haben verloren!

Pia Volk25. April 2007

An Feiertagen feiert man etwas. Die Geburt oder die Wiedergeburt, die gute Ernte, Momente des Glücks. Doch der wichtigste australische Nationalfeiertag, der am Mittwoch (25.4.) begangen wird, feiert eine Niederlage.

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Ein Neuseeländischer Soldat spielt Trompete bei einer Zeremonie in Gallipoli. Quelle: AP
Anzac-Tag: Paraden, Militärübungen und FeuerwerkBild: AP

Es ist diesig draußen. Die Morgenkühle lässt die grade erwachten Soldaten noch bibbern. Nebelige Schatten zeichnen sich an der Küste ab. Es ist die beste Zeit zum Angreifen. Leise laufen ihre Boote auf den Strand der Gallipolli-Halbinsel in der Türkei auf. Sie merken gleich, dass sie nicht am geplanten Ort gelandet sind. Vor ihnen erhebt sich eine zerklüftete Felslandschaft. Ihr Gepäck lastet auf dem Rücken und die Gewehre sind auch keine Hilfe beim Klettern. Der Blitzangriff ist gescheitert.

So oder so ähnlich könnte es gewesen sein, als am 25. April 1915 die Truppen der Alliierten auf Gallipolli landen. Die Halbinsel begrenzt die Dardanellen-Schlucht, eine Meerenge, die die Ägais vom Marama-Meer trennt. Die Allierten träumen von einem Zugang zum Schwarzen Meer, und bei dem Traum wird es bleiben. Die Türken hatten sich während des Ersten Weltkrieges auf die Seite der Deutschen geschlagen. Sie kämpfen erbittert. Am Ende des Jahres 1915 ziehen sich die Alliierten zurück, sie hinterlassen 35.000 Tote aus den eigenen Reihen, 8000 davon sind Australier. Der Anzac-Tag, wie der 25. April genannt wird, erinnert an ihren Tod. Aber nicht nur das.

Unabhängigkeit und Nationalstolz

Im Vordergrund ist eine Rose an einem Zaun festgemacht. Im Hintergrund sieht man eine Menschenmasse sitzen. Viele tragen Militärhelme mit der australischen Flagge. Quelle:AP
Menschen beim Dawn Service in GallipolliBild: AP

"Anzac" steht für "Australian and New Zealand Army Corps". Sie waren Teil der alliierten Streitkräfte im Ersten Weltkrieg. Als der Krieg 1914 ausbricht, ist Australien noch eine ganz junge Nation: erst 13 Jahre zuvor (1901) hatten sich die sechs unabhängigen Kolonien zum "Commonwealth of Australia" zusammengetan. Innenpolitisch hatte es sich damit von der Mutterkolonie England losgesagt, doch die außenpolitische Vollmacht erhielt Australien erst 1931. Als Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt, befindet sich Australien daher automatisch auch im Kriegszustand.

Die Australier erzählen die Geschichte anders. Damals, sagen sie, wollte die Regierung sich engagieren, sich einen Namen in der Weltpolitik machen und sendete deshalb Truppen. Die Schlacht um Gallipolli stehe symbolisch für den Kampf um Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Deshalb halte man heute Paraden und den "Dawn Service", eine Art morgendliche Militärübung, ab. Natürlich feiern nicht nur die Australier den Anzac-Tag, sondern auch die Neusseländer. Bei ihnen nimmt er jedoch nicht so eine herausragende Rolle in der nationalen Mythenbildung ein. Viele Australier hingegen sagen, die australische Nation sei eigentlich nicht im Januar 1901 entstanden, sondern an eben diesem 25. April 1915. Für viele ist deshalb nicht der Ausgang der Schlacht maßgeblich, sondern der Gesamteffekt. Das erste Mal kommt so etwas wie Nationalstolz auf.

The Pogues dichten Nationalhymne um

Seit den 1960ern wird der hohe Feiertag aus genau diesem Grund kritisiert. Er glorifiziere den Nationalismus und Militarismus, heißt es. Die britische Band "The Pogues" hat in diesem Sinne die inoffizielle australische Nationalhymne "Walzing Matilda" umgedichtet. Die Orginalversion handelt vom Leben eines Buschmannes. Die Pogues-Version jedoch erzählt die Schlacht von Gallipolli aus der Sicht eines der kämpfenden Soldaten.

"And now every april I sit on my porch
And I watch the parade pass before me

The forgotten heroes of a forgotten war
And the young people ask me, what are they
Marching for?"