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Ausverkauf der Tausendjährigen

Steffen Leidel26. August 2002

Spanien ist das Land mit den meisten Olivenbäumen auf der Welt. Einige der Pflanzen sind über 2000 Jahre alt. Die Naturdenkmäler sind bedroht. Viele der Olivenbauern verkaufen sie ins Ausland.

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Sehr alt, sehr knorrig, sehr begehrtBild: Illuscope

Es tue ihm schon ein bisschen leid, aber er könne eben nicht anders, sagt Enrique Simó. Der Olivenbauer aus der Provinz Castellón bei Valencia hat gerade 40 uralte Ölbäume verkauft. Jetzt werden sie für den Transport fertig gemacht. Mit Motorsägen werden die Urgewächse gestutzt, bis nur noch ein kahler Stamm übrig bleibt. Einige von ihnen sind fast 2000 Jahre alt, ihre Stämme haben einen Umfang von bis zu neun Meter. 

1000 Jahre für 600 Euro

Enrique hat die Bäume dem Gärtner unten im Dorf verkauft, pro Baum für rund 600 Euro. Bald wird der Bagger kommen und die Bäume aus der rotbraunen Erde ausgraben. Dann werden sie auf Lastwagen verladen, die Äste verbrannt. Immer wieder beteuert Enrique, dass er die Bäume doch gerne behalten hätte. Aber irgendwie müsse er seine Familie doch ernähren. Ein tausendjähriger Ölbaum sei zwar sehr schön, aber unrentabel. Er brauche so viel Platz wie vier junge Ölbäume und die brächten vier Mal so viel Oliven, sagt Enrique. Die Früchte der alten Pflanzen hätten zwar ein hohe Qualität, doch sie zu ernten sei zu aufwändig, da die Bäume viel zu hoch seien und schütteln könne man die mächtigen Stämme natürlich auch nicht.

Neues Leben statt Brennholz

Die Nachfrage nach den tausendjährigen Ölbäumen ist in Spanien sprunghaft gestiegen, nachdem Italien und Frankreich ihre eigenen Ölbäume per Gesetz geschützt haben. Mehrere Dutzend tausendjähriger Ölbäume hat der Gärtner Miguel Sala aus Benicarló schon verkauft. Er findet daran nichts schlimmes. „Sie bekommen doch dadurch ein neues Leben geschenkt. Es ist viel schlimmer, wenn die Bäume als Brennholz enden,“ meint er. Sala verkauft die Bäume häufig ins Ausland, vor allem nach Frankreich. Dort warten weitere Mittelsmänner, die für ihre reichen Kunden das Geschäft und den Transport organisierten. „Die machen den wahren Reibach“, sagt Sala. Sie verlangten für die Bäume oft zehn Mal so viel wie er. Am Ende landen die Bäume in den Gärten der  Villen von irgendwelchen Schönen und Reichen.

"Wir dürfen unsere Schätze nicht verschleudern"

Manche Unternehmen vertreiben die Olivenbäume sogar im Internet. Für den Olivenbauern Ramón Mampell bedeutet der Verkauf der Bäume den Ausverkauf der eigenen Kultur. Er selbst besitzt ein halbes Dutzend von tausendjährigen Bäumen. Doch für kein Geld der Welt würde er sie verkaufen. „Sie sind Teil unserer Kultur und unserer Zukunft“, sagt er. Er fordert finanzielle Hilfen von der Europäischen Union für den Erhalt der Bäume. Ein Gesetz reiche zum Schutz nicht aus. Schon jetzt würden die Bäume oft mit Schwarzgeld bezahlt. „Da gibt es keinen Kaufvertrag, verhandelt wird per Handschlag“, sagt Ramón. Wie viele es von den uralten Pflanzen gibt, weiß keiner so genau. Die Bäume sind weitverstreut, oft nur über Schotter-Pisten zu erreichen. Doch Ramón will die Ölbäume auch für Touristen zugänglich machen. Er plant, eine Route der tausendjährigen Olivenbäume einzurichten. „Ich will nur, dass meine Söhne hier auf dem Land leben können und nicht in die Stadt auswandern müssen“, sagt Ramón, „deshalb dürfen wir unsere Schätze nicht einfach verschleudern“.