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Erdogan erringt Teilerfolg gegen Böhmermann

17. Mai 2016

Das Landgericht Hamburg hat auf Antrag des türkischen Präsidenten Erdogan eine einstweilige Verfügung gegen den ZDF-Moderator Böhmermann erlassen. Er darf Teile seines Schmähgedichts nicht mehr wiederholen.

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Jan Böhmermann (Foto: Imago)
Bild: Imago/Sven Simon

Der Entscheid des Gerichts bezieht sich auf das Gedicht "Schmähkritik", das Jan Böhmermann Ende März in seiner ZDF-Sendung "Neo Magazin Royale" vorgetragen hatte. Recep Tayyip Erdogan geht seitdem juristisch gegen Böhmermann vor. Der 35-jährige Moderator dürfe bestimmte Gedichtpassagen nicht wiederholen, die Erdogan angesichts ihres schmähenden und ehrverletzenden Inhalts nicht hinnehmen müsse, teilte das Gericht in Hamburg mit.

Damit wurde der überwiegende Teil des Gedichts verboten. Hinsichtlich der übrigen Teil des Textes wurde der Antrag Erdogans aber zurückgewiesen. Erlaubt ist nun etwa weiterhin die Zeile "Sackdoof, feige und verklemmt / Ist Erdogan der Präsident".

Hohes Ordnungsgeld

Im Fall einer Zuwiderhandlung droht nach Angaben des Gerichts ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro oder eine Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten. Das Gericht habe zwischen der Kunst- und Meinungsfreiheit und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Antragstellers abwägen müssen. In Form von Satire geäußerte Kritik am Verhalten Dritter finde ihre Grenze, wo es sich um eine reine Schmähung handele oder die Menschenwürde angetastet werde. Böhmermanns Gedicht überschreite diese Grenze in bestimmten Passagen, so das Landgericht. Die Richter erklärten weiter: "Durch das Aufgreifen rassistisch einzuordnender Vorurteile und einer religiösen Verunglimpfung sowie angesichts der sexuellen Bezüge des Gedichts überschritten die fraglichen Zeilen das vom Antragsteller hinzunehmende Maß."

Die übrigen Teile setzten sich in zulässiger Weise satirisch mit aktuellen Vorgängen in der Türkei auseinander. Das türkische Staatsoberhaupt trage politische Verantwortung und müsse sich auch harsche Kritik an seiner Politik gefallen lassen. Hinzunehmen sei auch, dass Böhmermann sich in satirischer Form über den Umgang Erdogans mit der Meinungsfreiheit lustig mache.

Der Anwalt des türkischen Staatspräsidenten, Michael von Sprenger, teilte dazu mit: "Das Gericht hat festgestellt, dass die Äußerungen im 'Gedicht' zweifelsohne schmähend und ehrverletzend sind und es sich nicht um eine Geschmacksfrage handelt."

Böhmermann-Anwalt kritisiert Beschluss

Der Anwalt Böhmermanns, Christian Schertz, erklärte: "Wir halten den Gerichtsbeschluss in der konkreten Form für falsch, wenngleich er insbesondere die Aussagen, die den Umgang von Erdogan mit der Meinungsfreiheit in der Türkei betreffen, für zulässig erachtet hat." Das Gericht gehe richtigerweise davon aus, dass es sich bei dem Gedicht um Kunst und eine Satire handle. Es mache dann aber den Fehler, bestimmte Aussagen solitär herauszugreifen und zu verbieten, die es als herabwürdigend empfinde. "Das geht im Bereich der Kunstfreiheit nicht."

Schertz kündigte an, er werde Rechtsmittel prüfen und auch überlegen, "Herrn Erdogan zur so genannten Hauptsacheklage aufzufordern, um notfalls eine Entscheidung vor dem Bundesverfassungsgericht zu erwirken. So kann die Entscheidung keinen Bestand haben."

Die aktuelle Entscheidung zum Antrag auf einstweilige Verfügung gegen Böhmermann ist nach Angaben eines Sprechers des Landgerichts unabhängig von den Verfahren, die Böhmermann auf Grundlage des Paragrafen 185 wegen Beleidigung und des Paragrafen 103 wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes noch drohen können.

(Aktenzeichen: 324 O 255/16)

kle/qu (dpa, afp, epd, spiegel online)