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Böhmermann sagt Auftritt beim Grimme-Preis ab

8. April 2016

Der ZDF-Satiriker Jan Böhmermann wird nicht an der Grimme-Preisverleihung an diesem Freitagabend in Marl teilnehmen. Angesichts staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen ist ihm wohl die Lust aufs Feiern vergangen.

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Jan Böhmermann
Bild: Imago/Star-Media

"Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe", postete der 35-Jährige auf Facebook. "Mein Team von der 'Bildundtonfabrik' und ich bitten um Verständnis, dass wir heute Abend nicht in Marl feiern können."

Böhmermann sollte den Grimme-Preis für seine Satire rund um den Mittelfinger des griechischen Ex-Finanzministers Yanis Varoufakis bekommen. Im März 2015 hatte der Satiriker vorgegaukelt, ein umstrittenes Video (siehe Screenshot) mit Varoufakis gefälscht zu haben. Günther Jauch hatte den Politiker zuvor in seiner Talkshow mit einem Clip konfrontiert, auf dem zu sehen war, wie Varoufakis Deutschland den ausgestreckten Mittelfinger zeigte. Böhmermann suggerierte daraufhin, den "Stinkefinger" in den Clip montiert und als Fake-Video - von langer Hand geplant - in die Welt gesetzt zu haben. Die Gaukelei war so perfekt, dass danach heillose Verwirrung herrschte.

Screenshot Varoufakis Stinkefinger YouTube
Bild: Screenshot YouTube

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Satiriker

Derzeit hat Böhmermann jedoch Ärger: Die Staatsanwaltschaft Mainz hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass sie gegen den ZDF-Moderator ermittelt. Dabei geht es um den Vorwurf der Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Zuvor waren nach Angaben der Oberstaatsanwältin rund 20 Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen.

Böhmermann hatte sich in seiner Sendung "Neo Magazin Royale" in einem Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit Begrifflichkeiten unterhalb der Gürtellinie ausgelassen. Das ZDF nahm die Passage anschließend online aus der Mediathek und strich sie aus Wiederholungen. Wie das ZDF am heutigen Freitag mitteilte, telefonierte der Intendant des Senders, Thomas Bellut, am Montag mit dem türkischen Botschafter in Berlin. Dabei habe er "sein Bedauern darüber zum Ausdruck gebracht, dass der Beitrag Gefühle von Zuschauerinnen und Zuschauern verletzt hat", so der Sender. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte sich dazu geäußert und das Gedicht als "bewusst verletzend" bezeichnet. Außerdem sprach sie darüber mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu.

Am Donnerstag hatte die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass bei ihr weitere Strafanzeigen eingegangen seien. Diese betreffen nicht namentlich benannte "Verantwortliche des ZDF", wie eine Sprecherin der Ermittlungsbehörde mitteilte. Die Prüfung der Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit den Böhmermann-Ermittlungen erstreckten sich auch auf diese Anzeigen.

Satire führte zu diplomatischen Verwicklungen

Böhmermann hatte das Schmähgedicht als Reaktion auf die Kontroverse um einen Satire-Beitrag des NDR-Magazins "extra 3" vorgetragen, der sich kritisch mit Verletzungen der Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei sowie mit dem Vorgehen türkischer Sicherheitskräfte gegen Kurden im Südosten des Landes auseinandergesetzt hatte. Ankara hatte wegen des "extra 3"-Beitrags den deutschen Botschafter einbestellt und eine Löschung verlangt. Dies wurde zurückgewiesen. Sowohl die Sendeverantwortlichen als auch deutsche Politiker hatten auf die Pressefreiheit in Deutschland verwiesen. Das "extra 3"-Team reagierte, indem es das Video unter anderem mit türkischen Untertiteln versah.

Der Einschaltquote hat das Hin und Her um Böhmermann nicht geschadet - im Gegenteil. Allerdings verlor der Satiriker in seiner neuen Ausgabe vom "Neo Magazin Royale" kein Sterbenswörtchen über Erdogan - ein paar Anspielungen gab es dennoch.

chr/wa (dpa, afp)