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Bücher für das Volk

Christine Harjes29. März 2004

Die "Süddeutsche Zeitung" bringt ihre eigene "Bibliothek" unters Volk: Für die Zusammenstellung in Frage kamen Romane großer Erzähler des 20. Jahrhunderts. Motto: "Lese. Freude. Sammeln."

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Das erste Buch der SZ-Reihe: "Die unerträgliche Leichtigkeit des Seins"

Die "SZ"-Kulturredakteure sollten 50 Bücher auswählen, die sie selbst gern gelesen haben. "Lesefreude" stand bei dem Projekt ganz oben an - herausgekommen ist also eine ganz subjektive Auswahl. Und genau das mache den Charme der "SZ-Bibliothek" aus, glaubt Sebastian Lehmann, Verlagssprecher der "Süddeutschen Zeitung". "Es geht nicht um schwere Kost, es geht nicht um einen Kanon oder pädagogische Klassiker", erklärt er. "Es geht darum, dass man von der Romanliteratur der letzten 100 Jahre abschöpft, was einerseits Lesefreude bringt und andererseits dem literarischen Anspruch der 'SZ' genügt."

Was literarischen Anspruch, Erscheinungsjahr und Popularität angeht, deckt die "SZ-Bibliothek" ein breites Spektrum ab - von John Irving bis zu James Joyce. Von Joseph Conrads "Herz der Finsternis", dessen englische Erstausgabe 1899 erschien, bis zu Cees Nootebooms 100 Jahre später publiziertem "Allerseelen". Von der bekannten Patricia Highsmith bis zu dem eher vergessenen Juan Carlos Onetti.

Weiße Männer

Auch wenn die Einbände bunt sind - der kulturelle Hintergrund der Autoren ist auffallend einheitlich: weiß und männlich. Unter 50 Autoren finden sich neben Patricia Highsmith nur drei weitere Frauen. Gab es im 20. Jahrhundert so wenig bedeutende Schriftstellerinnen? Warum hat es bei all den amerikanischen Autoren kein Afro-Amerikaner in die "SZ-Bibliothek" geschafft? Und werden in Asien, Afrika und Australien keine Bücher geschrieben?

Thomas Steinfeld, Feuilleton-Chef bei der "SZ", findet auch keine befriedigende Antwort. "Das hat mich selbst sehr gewundert. Ich habe wirklich versucht, darauf zu achten, als wir diese Liste zusammengestellt haben", erzählt er fast entschuldigend. "Und es gibt - das ist eine Wahrheit, die ich jetzt erst verstanden habe - eine ganz ungleiche Verteilung von Frauen unter den deutschen Verlagen. Diese Rechte sind uns von den Verlagen nicht zur Verfügung gestellt worden."

Angst vor Dumping-Preisen

Verlage wie "Rowohlt" wollten sich nicht an dem Projekt beteiligen, weil sie befürchten, die Aktion könne der Buchbranche schaden. Auch, wenn nicht alle deutschen Verlage zu einer Kooperation bereit waren, so hätte die "SZ" durchaus mehr Autorinnen in ihre Auswahl aufnehmen können, sagt Eckhard Kloos vom "Rowohlt-Verlag": "Mit etwas Spürnase hätte man auch bei 'Suhrkamp' oder 'Hanser' etwas finden können, wenn man Wert auf Ausgewogenheit gelegt hätte."

Noch bedauert es Kloos nicht, dass "Rowohlt" auf die Teilnahme an der Aktion verzichtet hat. Das ändert sich vielleicht, wenn die neuesten Verkaufszahlen aus der Aktion den Verlag erreichen: Rund eine Woche nach dem Start der Reihe hatten schon mehr als 30.000 Leser die Gesamtausgabe bestellt. Insgesamt seien bis zum Freitag, dem 26. März, knapp drei Millionen Bücher vorbestellt worden. Die "Süddeutsche" käme kaum noch mit dem Abarbeiten der Bestellungen nach, sagte "SZ"-Geschäftsführer Klaus Josef Lutz auf der Leipziger Buchmesse.

Neue Projekte

Kulturchef Thomas Steinfeld denkt bereits an Nachfolge-Projekte und hofft, dass dann auch Verlage wie "Rowohlt" oder die "DVA" der Zeitung bezahlbare Lizenzen überlassen. Dann könne die "SZ-Bibliothek" auch Autoren und Autorinnen angemessen repräsentieren, sagt Steinfeld. Eins sei klar: Hinter der geringen Auswahl von Schriftstellerinnen habe keine böse Absicht gesteckt. "Hier sitzen nicht lauter Machos. Das ist nicht so."