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Büchernarr Adolf

Christina Bergmann22. März 2008

Wenn Adolf Hitler in einem Atemzug mit Büchern erwähnt wird, geht es meist um deren Vernichtung. Doch Hitler hat auch Bücher gesammelt – bei seinem Tod waren es rund 16.000. Ein Besuch in Hitlers Bibliothek.

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Der Historiker Steven F. Sage blättern in Hitlers Bücherfundus (Foto: DW)
Der Historiker Steven F. Sage blättern in Hitlers BücherfundusBild: DW / Christina Bergmann

Sie sind verstaubt und vergilbt, aufgequollen und zerrissen – die Bücher, in denen der Diktator geblättert hat oder die er als Soldat im Marschgepäck mit sich trug. Jetzt stehen sie in den Archiven der Library of Congress. Clark Evans, der Chef des Lesesaals, zeigt in die Regale, die für die normalen Besucher nicht zugänglich sind: "Zufällig haben wir hier gerade ein Werk, das 1937 gedruckt wurde. Es ist ein Bildband über die Olympischen Spiele in Berlin 1936 von Leni Riefenstahl, der berühmten Regisseurin. Und wie bei so vielen anderen Büchern auch gibt es eine Widmung für Adolf Hilter."

Leni Riefenstahl widmet Hitler ein Buch von Johann Gottlieb Fichte (Quelle: DW)
"Meinem lieben Führer in tiefster Verehrung", lautet die Widmung - einer von mehreren Bänden des Philisophen Fichte, die Leni Riefenstahl Hitler zum Geschenk machteBild: DW / Christina Bergmann

Meinem Führer in Dankbarkeit und Treue gewidmet, Leni Riefenstahl, Dezember 1937, ist dort zu lesen. Mark Dimunation, Leiter der Abteilung für seltene Bücher, erklärt, die Amerikaner hätten die Bücher vor der Zerstörung bewahrt: "Als die Sammlung hier über die amerikanische Gesandtschaft ankam, umfasste sie etwa 3000 Bücher. Die waren 1945 in einer Salzmine bei Berchtesgaden in Kisten entdeckt worden."

Okkultismus, Rassismus und "Mein Kampf"

Dort waren sie offensichtlich vor den Bombenangriffen in Sicherheit gebracht worden. Die Fundstücke wurden 1946 nach Washington geschickt. Hier wurden sie gesichtet und heute umfasst die "Dritte Reich Sammlung" der Kongressbibliothek 1200 Bücher: Nachschlagewerke, philosophische Schriften, Bücher über Religion, Architektur, über Okkultismus. Bücher über Rassismus und Antisemitismus und Hitlers "Mein Kampf".

Der Bergsteiger Luis Trenker schenkte Adolf Hitler am 7.4.1933 sein Buch Der Rebell mit Widmung (Quelle: DW)
Der Bergsteiger Luis Trenker schenkte Hitler sein Buch 'Der Rebell'. Viele der Bücher aus seinem Besitz hat Hitler sich nicht selbst gekauft, sondern sind ihm geschenkt wordenBild: Knaur Verlag

Der Historiker Steven F. Sage vergleicht in seinem Buch Ereignisse aus Hitlers Leben mit Dramen von Henrik Ibsen. Er hat dabei verblüffende Übereinstimmungen festgestellt. Die Sammlung in Washington ist unvollständig, Ibsen zum Beispiel ist nicht darunter. Deswegen sei es nicht möglich, erklärt er, sich nur daraus ein Bild der Person Hitlers zu machen. Aber einige Bücher, die auch Anmerkungen von Hitler enthalten, seien doch interessant. Sehr wichtig sei ein Werk von Paul de Lagarde, 'Deutsche Schriften', in dem Lagarde die Juden mit Bakterien, mit Bazillen vergleicht. "Hitler hat einige Passagen mit einem blauen Stift unterstrichen. Aus anderen Quellen wissen wir, dass für Hitler dieser Vergleich von großer Bedeutung war."

Was der Diktator unterstrich

Die Anmerkungen des Diktators beschränken sich auch in anderen Büchern meist auf Frage- oder Ausrufezeichen am Rand oder Unterstreichungen von Textpassagen. Und hundertprozentig konnte bisher nicht belegt werden, ob und welche der Anmerkungen tatsächlich von Hitler stammen.

Ungefähr 20 bis 40 der Bücher, davon ist der Historiker Timothy Ryback überzeugt, können dem Diktator direkt zugeordnet werden. Ryback hat diese Bücher studiert und mit Zeitzeugen gesprochen. "Der Mann war ein Büchernarr. Er hat immer Bücher bei sich gehabt und war ein unermüdlicher Leser. Aus historischer Sicht ist es ein Glücksfall, dass wir einige Bücher haben, die eine zentrale Rolle in seinem Leben und für seine Ideen gespielt haben."

Ryback hat über seine Forschung selbst ein Buch geschrieben: "Hitlers private Bibliothek – Die Bücher, die den Mann formten". Es erscheint im Oktober. Oft wisse man, sagt er, in welcher Situation der Diktator ein bestimmtes Werk gelesen habe. Ein Beispiel: Max Osborns "Berlin", ein Architekturführer über die Hauptstadt, in den Hitler seinen Namen, das Datum 22.November 1915 und den Ort Fournes geschrieben hat. Damals kämpfte er in der Wehrmacht in Nordfrankreich. Das Buch fällt fast auseinander. "Wenn man das Buch aufmacht", sagt Ryback, "sieht man Schmierflecken auf den Seiten, Kerzenwachs ist auf ein Kapitel über Friedrich den Großen getropft. Und das ist ein Buch, das der 26-jährige Gefreite an der Front bei sich trug und bis zum Ende seines Lebens behielt."

Und jetzt kann es sich jeder in den Lesesaal der Abteilung für seltene Bücher bringen lassen. Alles was man braucht, ist eine Lesekarte der Kongressbibliothek. Die zu beantragen dauert ungefähr fünfzehn Minuten.