1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

"Frieden für Südthailand?"

Ana Lehmann28. März 2013

"Die Friedensgespräche zwischen der thailändischen Regierung und einer muslimischen Rebellengruppe sind ein erster Schritt in die richtige Richtung", sagt Marco Bünte. "Doch es müssen noch viele folgen."

https://p.dw.com/p/183nA
Dr. Marco Bünte, GIGA Institut Hamburg (Foto: Marco Bünte)
Marco Bünte GIGA Institut HamburgBild: M.Bünte

DW: Worum geht es bei den bevorstehenden Friedensgesprächen?

Marco Bünte: Die thailändische Regierung versucht damit, ihren Gegner zunächst richtig kennenzulernen und auch einen Ansprechpartner zu finden, mit dem man gemeinsame Ziele ausarbeiten kann. Denn momentan gibt es keine Kommunikation zwischen den Konfliktparteien und man sieht nur, dass die Gewalt in Thailands Südprovinzen nicht aufhört.

Die aufständischen Gruppen im Süden gelten als sehr zersplittert, manche kämpfen für Autonomie, andere sind in kriminelle Machenschaften verstrickt. Wer ist diese Gruppe Barisan Revolusi Nasional (BRN), die Ende Februar in Malaysia eine Vereinbarung zur Aufnahme von Friedensgesprächen unterzeichnet hat?

Hier ist eine neue Sammlungsbewegung entstanden, über die nur sehr wenig bekannt ist und die sich auch nicht zu erkennen gibt. Sie hat kein ausgesprochenes Ziel, wie zum Beispiel die Anerkennung eines eigenen Staates. Untersuchungen haben ergeben, dass es sich um sehr autonom arbeitende Zellen handelt, aber man weiß nicht genau, wer eigentlich dahinter steht. Sehr viele Jugendliche sollen dabei sein.

Dieser Konflikt ist ja schon sehr alt - der Ursprung war zu Beginn des letzten Jahrhunderts - und ist immer wieder in Wellen neu hochgekommen. Da gab es einige Gruppen, die mehr Autonomie forderten. Diese älteren Gruppen sollen gegenüber der Regierung erklärt haben, dass auch sie nicht genau wissen, mit wem sie es eigentlich zu tun haben und wie sie auf die jüngeren Rebellen einwirken sollen. Da es also keine Struktur und keine Organisation gibt, die sich verantwortlich zeigt, sind Gespräche sehr schwierig.

Thailands Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra, umgeben von Militär (Foto: DW)
Thailands Ministerpräsidentin Yingluck Shinawatra will einen Dialog mit den AufständischenBild: Reuters

Was ist es denn, das die Rebellengruppen so gegen den thailändischen Staat aufbringt, dass sie mit Gewalt und Bombenattentaten reagieren?

Zunächst einmal sind die Südprovinzen ökonomisch und auch politisch benachteiligt. Hinzu kommt, dass Thai die einzige Amtssprache ist, doch die überwiegend muslimische Bevölkerung im Süden spricht einen eigenen malayischen Dialekt und kann sich nur schlecht mit den thailändischen Staatsbeamten verständigen. Der dritte wichtige Punkt ist die starke Militärpräsenz. Über 60.000 Sicherheitskräfte sind im Süden stationiert. Sie machen dort ihre eigene Politik und versuchen, dem Konflikt irgendwie beizukommen. Dies führt zunehmend zu Rechtlosigkeit im Verhältnis zu den Muslimen und zu Menschenrechtsverletzungen des Militärs, die ungeahndet bleiben. Die Unzufriedenheit der dortigen Jugendlichen ist groß. Sie sagen, sie könnten in diesem Staat nicht mehr leben, und greifen zum letzten Mittel, zu Gewalt und Kriminalität.

Was hat die Regierung unter Premierministerin Yingluk Shinawatra bisher unternommen, um den Konflikt zu lösen?

Die Regierung hat versprochen, jetzt mehr auf Dialog zu setzen. Der Nationale Sicherheitsrat hatte im letzten Jahr Empfehlungen ausgesprochen, den Dialog mit den Aufständischen zu suchen und das Angebot einer Autonomie zu machen. Wie weit das letztendlich umsetzbar ist, oder auch umgesetzt werden soll, ist sehr schwierig zu sagen.

Auch wenn die Gruppen zersplittert und ihre Anliegen vielfältig sind, wollen viele offenbar mehr Autonomie. Die würde aber auch eine Dezentralisierung mit sich bringen. Doch der thailändische Staat ist traditionell auf die Hauptstadt Bangkok ausgerichtet und auch politisch sehr stark zentralisiert, mit dem König als Symbol der Einheit. Wäre die Regierung denn überhaupt bereit, davon abzurücken?

In der Tat ist Dezentralisierung etwas, das dem thailändischen Staatsverständnis, das ein starkes Zentrum vorsieht, diametral entgegensteht. Daher ist das, was man hier plant, eher eine kulturelle Autonomie. Sie bezieht sich auf die Religion und die Sprache, die man in der Region als Amtssprache einrichten will. In diese Richtung gehen Angebote, die Politiker geäußert haben. Offizielle Angebote vonseiten des thailändischen Staates gibt es bisher nicht.

Es gab vonseiten der Zivilgesellschaft zahlreiche Vorschläge, die aber niemals aufgegriffen wurden. Insofern ist jetzt das Angebot einer kulturellen Autonomie schon ein Zugeständnis. Doch darf diese Autonomie den Staat in seinen Grundfesten, mit dem König als oberstem Repräsentanten, nicht antasten.

Bisher haben sich die Menschen im Süden Thailands als Bürger zweiter Klasse gefühlt. Ist diese Initiative ein erster Schritt, um ihr Vertrauen zurückzugewinnen?

Ein erster Schritt ist das sicherlich, weil damit zumindest erst mal ein Dialogangebot gemacht wird. Aber darüber hinaus müssen viele der Gesichtspunkte einer Autonomie, und vor allem der Abzug der Streitkräfte, verhandelt werden. In Thailands Süden gilt immer noch der Ausnahmezustand, der den Streitkräften eine weitgehende Handlungs- und Straffreiheit einräumt. Nur wenn man diese Politiken alle ändert, kann man einen Umschwung bewirken.

Ein Soldat in der südlichen Provinz Yala nach dem Angriff auf einem Militärstützpunkt (Foto: DW)
"Über den Abzug der Streitkräfte muss verhandelt werden"Bild: Reuters

Wie schätzen Sie die Chance ein, dass die Regierung bei den Gesprächen, die am 28.03.2013 in Malaysia beginnen sollen, diese Lösungsansätze jetzt ernsthaft angeht und die Konfliktparteien zu einem echten Friedensprozess führt?

Da der Konflikt so viele Facetten hat, halte ich das Signal für sehr schwach und sehe es eher im Sinne von gegenseitiger Informationspolitik. Aufgrund der Militärpräsenz und den unterschiedlichen Interessen in dieser Region ist dieser Konflikt sehr schwer lösbar. Er gilt als einer der gewalttätigsten in Südostasien und ist inzwischen chronisch geworden. Daher sind diese Gespräche jetzt ein richtiger Schritt, aber es kann nur der erste sein.


Marco Bünte ist Dozent für Internationale Studien an der Monash Universitaet mit Sitz in Kuala Lumpur, Malaysia. Als Südostasien-Experte ist er zudem verbunden mit dem GIGA Institut für Asien-Studien in Hamburg.