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Bürgersprechstunde im Internet mit Russlands Präsidenten

Alexander Delphinov (ad)7. Juli 2006

Nutzer des russischen Internetportals Yandex und der BBC konnten Russlands Präsidenten Fragen stellen, 160.000 gingen ein. Einige hat Putin nun beantwortet und die Gelegenheit zur Eigenwerbung für seine Politik genutzt.

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Der Krieg in Tschetschenien war "selbstverständlich" nötigBild: AP

Am Donnerstag (6.7.2006) um 15 Uhr MEZ setzte sich Wladimir Putin für zwei Stunden an seinen Laptop. Vor den Kameras des britischen Senders BBC, der dessen "Audienz" im Internet übertrug, zeigte sich der Kremlchef gelassen.

Krieg in Tschetschenien

Die erste Frage betraf die Raketenstarts in Nordkorea. "Wir sind enttäuscht von diesen Ereignissen", sagte Putin und fügte an, dass man diese Tests nicht als normal akzeptieren könne.

Ein anderer Nutzer wollte über das Drogenproblem in Russland Aufklärung. Dieses Thema spitzt sich in Russland in jüngster Zeit zu. Putin sagte, dass es in diesem Bereich zwar Erfolge gebe, diese jedoch eher bescheiden seien. Eine Legalisierung "leichter Drogen" lehnte der Präsident strikt ab.

Ob der Krieg in Tschetschenien nötig war, lautete eine weitere Frage. "Selbstverständlich!", antwortete Putin. Der internationale Terrorismus habe Tschetschenien viel zu lange als Aufmarschgebiet gegen Russland missbraucht. Mittlerweile stabilisiere sich dort die Lage. Ferner rechnet der Präsident mit einer positiven Entwicklung des Iran-Dialogs.


Keine Frage des guten Rufs, sondern des Geldes

Putin glaube, die G8 sei ein sinnvoller Diskussionsklub, der es ermögliche, "die tatsächliche Lage der Weltwirtschaft und des –Friedens zu analysieren". Jedoch sei er gegen eine dominierende Weltstellung der USA: "Die Welt ist vielseitig und sollte auch multipolar bleiben." Die Beziehungen zwischen Russland und den USA wolle er weiter ausbauen. So habe er zum Beispiel telefonisch seinem amerikanischen Kollegen George W. Bush zum 60. Geburtstag gratuliert.

Durch die Absage an die Ukraine, Erdgas unter Marktpreis zu liefern, nehme das Image Russlands keinen Schaden, meinte der Präsident. In der internationalen und auch in der russischen Öffentlichkeit war dies häufig anders gesehen worden. Es werde auch kein politischer Druck mit wirtschaftlichen Mitteln ausgeübt, gab der russische Präsident zu verstehen. Außerdem sei es keine Frage des guten Rufs, sondern es gehe vielmehr ums Geld.

Die Fremdenfeindlichkeit bereitet dem Präsidenten nach eigenen Angaben ebenfalls Sorge. Dieses Problem hänge jedoch mit der Immigrantenflut zusammen, durch die sich die Einheimischen "nicht mehr sicher" fühlten. Anteil nehmend sprach er zu afrikanischen Studenten, die unter fremdenfeindlichen Übergriffen zu leiden haben. Parallel forderte er alle Ausländer auf, die russische Gesetzgebung zu achten. "Es halten sich nicht alle daran", bemängelte Putin.

Gegen doppelte Standards

Der russische Präsident sprach sich auch gegen "doppelte Standards". Damit meinte er die Konflikte im Kosovo, in Abchasien, Transnistrien und Südossetien. Sie sollten, so Putin, "auf Basis grundlegender internationaler Rechtsprinzipien" gelöst werden. Hierbei dürfe keinesfalls auf die Meinung der Bevölkerung umstrittener Gebiete verzichtet werden. Diese lasse sich nur mit Referenden wie in Tschetschenien ermitteln.

"Ohne eine demokratische Gesellschaft gibt es für Russland keine Zukunft", beteuerte der Präsident und wies Vorwürfe, in Russland werde die Rede- und Pressefreiheit eingeschränkt, zurück. Russland sei auch sofort zum hindernislosen Transfer ohne Visum mit der EU und anderen Staaten bereit. Im Gegenzug erwarte er aber das Gleiche für russische Staatsbürger.

Einmal wirkte Putin verlegen, und zwar als er die Frage zu seinem kleinen Benimmfehler beantworten sollte. Vor wenigen Tagen gingen Bilder durchs russische Fernsehen, wie Putin bei einem Spaziergang durch den Kreml einen 5-jährigen Jungen anspricht und ihn darauf hin auf den Bauch küsst. Der Wortwahl sichtlich erschwert, berief sich das russische Staatsoberhaupt auf reine Emotionen: "Es war ein wirklich niedlicher Junge, ich wollte ihn ein wenig knuddeln. Wie ein Kätzchen."