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Bürokratie kontra Stabilitätspakt

Dietrich Schlegel18. Januar 2002

Der jüngst ausgeschiedene Sonderkoordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa hat seine ständige Kritik an der schwerfälligen Bürokratie der Europäischen Kommission bekräftigt. Ein Kommentar von Dietrich Schlegel.

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Allerdings hat Bodo Hombach diesmal die Kritik nicht öffentlich geäußert, sondern in der Vertraulichkeit einer Kabinettssitzung der deutschen Bundesregierung. Dass zwei große deutsche Zeitungen am Donnerstag (17.1.) ausführlich darüber berichten, mag eine gezielte Indiskretion sein, um in Brüssel Wirkung zu erzielen. In jedem Fall lohnt es sich, den Argumenten Hombachs Beachtung zu schenken.

Hombach beschuldigte - unter dem Beifall der Mitglieder der Berliner Kabinettsrunde - die EU-Bürokratie in Brüssel, seine Arbeit als Koordinator für den Stabilitätspakt "offen behindert" zu haben. Und er warnt seinen Nachfolger Erhard Busek davor, dass diese Störversuche auch in Zukunft nicht aufhören würden.

Hombach plädiert dafür, die Zuständigkeit für die Balkan-Länder dem für die Ost-Erweiterung der EU zuständigen Kommissar Günter Verheugen zu übertragen. Es sei ein Unding, dass die Aufbau- und Demokratisierungsprojekte für Südosteuropa beim außenpolitischen Kommissar Chris Patten angesiedelt seien, der gleichzeitig auch Programme in Afrika, Lateinamerika oder Ost-Timor verwalte. Mit diesem Vorschlag bestätigt Hombach seine Rivalität mit Patten, die in Brüssel ohnehin schon ein offenes Geheimnis war, doch offiziell stets geleugnet wurde.

Es ist zu erwarten, dass die deutsche Regierung die Kritik Hombachs an den Defiziten der EU-Bürokratie zum Thema des nächsten Europäischen Rates machen wird - ja, man möchte es ihr dringend anraten. Es steht zuviel auf dem Spiel, wenn der "good will" der einzelnen Mitglieder der Europäischen Union, mit beträchtlicher materieller Hilfe und Expertenrat zur Stabilisierung der Krisenregion Balkan beizutragen, durch schwerfällige Prozeduren innerhalb der EU-Kommission ins Leere läuft. Und ebenso gefährlich ist es, wenn das mühsam aufgebaute Vertrauen der Regierungen in Südosteuropa und ihrer Bürger in die europäischen Institutionen und Gesellschaften enttäuscht würde.

Sicher, auch die Regierungen auf dem Balkan werden von der Kritik Hombachs nicht ausgenommen. Noch zu viele ihrer - wie er sich ausdrückt - "Hausaufgaben" bei den demokratischen und wirtschaftlichen Reformen blieben unerledigt. Denn letztlich entspricht das Grundkonzept des Stabilitätspaktes für Südosteuropa dem klassischen Konzept "Hilfe zur Selbsthilfe" und nicht - wie anfangs fälschlicherweise interpretiert - einer Art "Marshall-Plan", mit dem ein warmer Geld-Regen über alle Gerechten und Ungerechten ausgeschüttet würde.

Doch die Hauptverantwortung für die Wirksamkeit des Stabilitätspaktes für Südosteuropa verbleibt bei der EU-Kommission. Dort muss begriffen werden, dass dieses - nochmals mit Hombach zu sprechen - "genial einfache" Instrument für Krisenprävention und mittelfristige Stabilität auf eine Region zugeschnitten ist, die vor der Haustür der Europäischen Gemeinschaft liegt. Auf sie wirkt sich jede neue Krise, jeder neue Krieg auf dem Balkan unmittelbar aus. Und es muss nicht einmal zu derart ernsten Situationen kommen, wie sie durch den Zerfall Jugoslawiens verursacht worden sind. Auch wenn sich die wirtschaftliche Lage nicht grundlegend verbessert, wenn sich die Bürgergesellschaft nicht zielstrebig entwickelt, werden die EU-Länder das über kurz oder lang zu spüren bekommen.

Es bleibt zu hoffen, dass der Balkan-erfahrene Nachfolger Hombachs, der österreichische Politiker und Diplomat Erhard Busek, von der Kritik seines Vorgängers profitieren und bald bessere Bedingungen für die Realisierung der Projekte des Stabilitätspaktes vorfinden wird.