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"große Asymmetrien"

Christoph Hasselbach30. Mai 2014

Bei der Europawahl hat der rechtsextreme Front National in Frankreich die sozialistische Partei von Staatspräsident Hollande auf Platz drei verwiesen. Was heißt das für die Zusammenarbeit zwischen Berlin und Paris?

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Frank Baasner Deutsch-Französisches Institut Ludwigsburg
Bild: Deutsch-Französisches Institut

DW: Herr Professor Baasner, welche Erklärung haben Sie für den Erfolg des Front National in Frankreich?

Baasner: Wenn man sich die absoluten Wählerzahlen anschaut, dann ist der Front National diesmal lange nicht so stark wie bei der Präsidentschaftswahl. Von daher muss man das nicht als neues Phänomen sehen. Was neu ist und was die Sache dramatisch macht, ist die erschreckende Schwäche nicht nur der sozialistischen Regierungspartei, sondern auch des bürgerlichen Lagers.

Was bedeutet das für die Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich auf der politischen Ebene?

Es verstärkt sich etwas, was schon seit der Wahl von Präsident Hollande vorhanden war. Es ist immer schwierig zwischen Deutschland und Frankreich, und zwar egal, wer regiert, wenn die Asymmetrien zu groß sind. Und im Moment ist die Asymmetrie wirtschaftlich sehr groß. Frankreich hat massive Schwierigkeiten, wettbewerbsfähig zu sein. Auch was die Staatsfinanzen angeht: Frankreich kann seinen Haushalt nur mit äußerster Anstrengung einigermaßen sanieren. Und auch politisch steht eine mit großer Mehrheit ausgestattete deutsche Bundesregierung nun einem ganz stark geschwächten François Hollande gegenüber. Immer, wenn es asymmetrisch wird, besteht die Gefahr, dass dann gegenseitige Schuldzuweisungen sehr schnell bei der Hand sind. Und da muss man jetzt aufpassen.

Das heißt, größere europäische Projekte zwischen beiden Ländern kann man erst einmal abschreiben?

Das wird sehr stark darauf ankommen, wie sich die, ich sage mal, stabileren Länder in Europa jetzt verhalten. Es ist relativ wahrscheinlich, dass nun nach der Wahl versucht werden wird, gemeinsam - und das heißt wirklich alle - etwas zu tun. Das heißt, durch gemeinsame Investitionsprogramme, durch große Infrastrukturprojekte, Wachstumsimpulse freizusetzen und so die zum Teil ja wirklich nicht ungefährliche, auch sozial brisante Arbeitslosigkeit zumindest etwas zu dämpfen.

Ich kann mir gut vorstellen, dass hier sowohl Italiens Ministerpräsident Renzi, der übrigens sehr stark bestätigt worden ist, obwohl er auch harte Reformen entweder angefangen hat oder anstrebt, und François Hollande gemeinsam versuchen werden, Angela Merkel und die, vereinfacht gesagt, Nordeuropäer zu bewegen, Taten folgen zu lassen und etwas gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu tun.

Was den Front National betrifft, so gibt es ja inzwischen sogar Schwierigkeiten bei den Städtepartnerschaften. Vereinzelte Vertreter deutscher Städte sagen, mit von der FN regierten französischen Partnergemeinden wollen wir uns gar nicht zusammensetzen. Haben Sie Verständnis dafür?

Ich habe Verständnis dafür, wenn jemand mit einem Kadermitglied, so nenne ich das mal bewusst, des Front National nicht zusammenarbeiten will. Man sollte die Wähler des Front National nicht gleich alle in Bausch und Bogen verurteilen. In diesem Ergebnis liegt viel Frust, sehr viel Ratlosigkeit und sehr viel Enttäuschung. Von daher sind die Wähler auch wieder zurückzugewinnen.

Aber der Front National ist schon hart aufgestellt. Und sie ist extrem durchorganisiert und wird von einer harten, autoritären Präsidentin geleitet. Von daher kann ich die Reaktion einiger Städtevertreter gut verstehen. Andererseits muss man sich natürlich auch sagen: Diese Städtepartnerschaften sind ja ein großes Pfund, mit dem man wuchern kann, gerade um mit den Bürgern, mit den verschiedenen Verbänden und Vereinen im Gespräch zu bleiben. Das ist, glaube ich, genauso wichtig. Von daher, wenn ich irgendwo Bürgermeister wäre, würde ich versuchen, das Gespräch weiterzuführen.

Prof. Frank Baasner leitet das Deutsch-Französische Institut in Ludwigsburg.

Das Interview führte Christoph Hasselbach.