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Babylon ist überall

Alexander Kudascheff8. August 2002

Europa hat viele Stimmen. Und das ist ganz selbstverständlich. Denn Europa versteht sich als Heimat der Mutter- (und Vater-)Sprachen. Und die Vielstimmigkeit soll noch größer werden.

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Jeder hier in Brüssel findet es ganz normal, dass bei wichtigen Ereignissen (also z.B. wenn mittwochs ein Kommissar etwas erläutert) in allen Sprachen der Gemeinschaft übersetzt wird. Ob die schöne Griechin Anna Diamantopoulo oder der ernste Finne Liikanen, ob der Deutsche Verheugen oder der Spanier Solbes - sie werden in alle Sprachen der Gemeinschaft übersetzt.

Englisch und sonstige Sprachen

Wie auch sonst. Dabei gilt im Alltag der Gemeinschaft: die Arbeitssprachen sind englisch und französisch und manchmal auch deutsch, das immerhin von der größten Zahl in Europa gesprochen wird (Deutsche, Österreicher, Luxemburger). Im Alltag hat sich übrigens in den letzten fünf Jahren das englische vor das französische geschoben - sehr zum Leidwesen der französischen Gemeinschaft.

Aber Europa bleibt nicht von der Vorherrschaft des englischen verschont - warum auch? Doch ab 2004 wird es dann richtig ernst. Denn dann müssen nicht mehr nur 12 Sprachen ( englisch, französisch, deutsch, spanisch, portugiesisch, dänisch, schwedisch, finnisch, italienisch, griechisch, niederländisch, irisch) hin und her übersetzt werden - dann kommen noch einmal blanke zehn dazu (estnisch, litauisch, lettisch, polnisch, tschechisch, slowakisch, slowenisch, maltekisch, ungarisch) - und auch diese Sprachen müssen in alle anderen übersetzt werden.

Von Pisa nach Brüssel

Das heißt, Verheugen muss dann in estnisch ebenso verstehbar sein wie in polnisch, ungarisch oder portugiesisch. Manche befürchten da einen Sprachenturm von Babylon-Brüssel. Andere beschwören die Kosten. Dritte (Idealisten) wollen nur noch esperanto sprechen (Humanisten sind übrigens für latein). Vierte wollen nur noch englisch als Verkehrssprache, schließlich sprächen das eh alle.

Das stimmt wahrscheinlich sogar. Aber ist keine politische Lösung, sondern ein durch die Realität erzwungenes Diktat. Das Europa der Regionen jedenfalls sollte sich auch als Europa der Sprachen verstehen. Und die Mindestforderung müsste im Jahr von Pisa heißen: jeder europäische Gymnasiast lernt drei Sprachen. Und eine davon sollte eine kleine sein. Machen wir's also den Luxemburgern nach. (Die sprechen allerdings oft sogar vier: deutsch, letzeburgisch, französisch, englisch).