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Bahrain und die Feinde im Inneren

Kersten Knipp21. Januar 2015

Der bahrainische Menschenrechtler Nabeel Rajab ist erneut verurteilt worden. Das Urteil wirft ein Licht auf die großen Herausforderungen, denen das Land gegenübersteht. Auf sie ist es denkbar schlecht vorbereitet.

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Proteste in Bahrain gegen die Anklage von Al-Wefak-Generalsekretär Scheich Ali Salman, 29.12.2014 (Foto: Reuters)
Proteste in Bahrain gegen die Anklage eines schiitischen OppositionsführersBild: Reuters

Zwei Jahre hat er bereits im Gefängnis gesessen, jetzt ist der Menschenrechtsaktivist Nabeel Rajab zu einer weiteren sechsmonatigen Haftstrafe verurteilt worden. Die Anklage: Rajab habe die Institutionen des Landes verunglimpft. Rajab hatte auf Twitter mitgeteilt, bahrainische Sicherheitskräfte kämpften an der Seite der IS-Terrormiliz im Irak und in Syrien.

Rajab ist einer der führenden schiitischen Menschenrechtler. Seit Jahren setzt er sich für die Rechte seiner Konfession ein - die in Bahrain übrigens die Mehrheit der Bevölkerung präsentiert. Er selbst spricht allerdings nicht von einem religiösen, sondern einem politischen Konflikt in seinem Land. "Es geht um Demokratie, um Gerechtigkeit, Gleichheit, Freiheit. Die Leute wollen Demokratie, sie wollen ein Parlament, das tatsächliche Macht hat, sie wollen eine gewählte Regierung", erklärte er vor einiger Zeit im Interview mit der DW.

Tatsächlich geht das bahrainische Herrscherhaus mit Oppositionellen hart ins Gericht. Erst im November war der schiitische Politiker Scheich Ali Salman verhaftet worden. Staatsanwalt Najed Mahmud warf ihm vor, mit "Gewalt, Drohungen und illegalen Mitteln" zum Sturz der Regierung angestachelt zu haben.

Bahrainische Sicherheitskräfte und der "Islamische Staat"

Im Prozess gegen Nabeel Rajab geht es nebenbei um eine für Bahrain existentielle Herausforderung: die Bedrohung durch die Terrororganisation "Islamischer Staat" (IS). Den Vorwurf, Spezialkräfte des Landes kämpften an der Seite des IS, hat die Regierung zurückgewiesen. In einem Punkt dürfte sie Recht haben: Sie kämpfen zumindest nicht in ihrem Auftrag. Bahrain ist Teil der Internationalen Koalition, die unter Führung der USA den "Islamischen Staat" (IS) in Syrien und im Irak bekämpft.

Der Menschenrechtsaktivist Nabeel Rajab, 22.11.2011 (Foto: EPA)
Der Menschenrechtsaktivist Nabeel RajabBild: picture-alliance/epa/Mazen Mahdi

Allerdings ist im September 2014 ein Video ins Internet gestellt worden, das vier mit Kalaschnikows bewaffnete junge Dschihadisten in einer Wüstenlandschaft zeigt. Solche Videos gibt es im Netz zwar zuhauf. Neu aber ist: Bei den hier auftretenden Milizen handelt es sich um Bahrainer.

Mit ihnen präsentiert sich ein ehemaliger Offizier des bahrainischen Innenministeriums, Mohamed Isa al-Binali. Wenige Wochen zuvor war er aus dem Sicherheitsdienst entlassen worden. Die Begründung: er sei unentschuldigt dem Dienst ferngeblieben. Vor allem aber hatte sich Al-Binali wenige Monate zuvor dem IS angeschlossen.

In dem Video fordert er Soldaten und Sicherheitskräfte auf, zu desertieren. Anschließend wendet er sich gegen die sunnitische Herrscherfamilie der Khalifas, die das Land seit über 200 Jahren regieren. "Die Khalifas regieren nicht nach Maßgabe der Scharia", erklärt Al-Binali. "Das heißt, sie beanspruchen für sich dieselbe Position wie Allah". Diesen Vorwurf erhebt auch der IS gegen die Herrscherfamilie.

IS fasst in Bahrain Fuß

Nach Informationen des Internetmagazins "Middle East Eye" hat sich die IS-Ideologie bereits seit längerem auch in Bahrain verbreitet. Importiert wurde sie aller Wahrscheinlichkeit nach von sogenannten "Neu-Bahrainern". Darunter versteht man Polizisten und Sicherheitskräfte, die Bahrain aus anderen Ländern angeheuert hat – meistens aus dem Jemen, Syrien, Jordanien und Pakistan. In Bahrain erhalten sie ein deutlich höheres Gehalt als in ihren Heimatländern. Das hätte sie nach dem Kalkül des Königshauses eigentlich motivieren sollen, sich besonders engagiert für dessen Schutz einzusetzen. Tatsächlich pflegt und verbreitet zumindest ein Teil dieser Neu-Bahrainer das Gedankengut des IS.

Dieses haben sich inzwischen offenbar auch ethnische Bahrainer zueigen gemacht. "Die Bedrohung ist erheblich", erklärt ein bahrainischer Staatsbediensteter, der anonym bleiben will, im Gespräch mit "Middle East Eye". "Diese Leute stammen aus dem Kreis der Sicherheitskräfte, der Polizei und dem Militär. Sie wollen Bahrain zu einem Teil des neuen Kalifats machen. Und die Familie Al-Khalifa sehen sie als Feind."

Proteste in Bahrain gegen Festnahme von Al-Wefak-Generalsekretär Scheich Ali Salman, 29.12.2014 (Foto: Reuters)
Proteste gegen die Verhaftung von Scheich Ali Salman in Bahrain.Bild: Reuters

Der Umstand, dass der Informant des "Middle East Eye" anonym bleiben will, deutet darauf hin, dass die Königsfamilie die Präsenz des IS in Bahrain möglichst diskret halten will. Würde sie weithin bekannt, könnte das weitere Bahrainer anregen, sich dem IS anzuschließen. Diese Absicht dürfte Nabeel Rajab durch seinen Tweet durchkreuzt haben. Dafür muss er sich nun vor Gericht verantworten.

Reformen? Nein danke!

Ein hartes Urteil gegen den Menschenrechtler dürfte die schiitische Bevölkerung aber noch weiter gegen das Königshaus aufbringen. Nach dem Beginn der arabischen Aufstände 2011 war es auch in Bahrain immer wieder zu Demonstrationen gegen die Khalifa-Familie gekommen. Den Anstoß dazu gaben überwiegend schiitische Bahrainer. Sie fühlen sich von der sunnitischen Herrscherfamilie ausgegrenzt.

Reformen wolle das Königshaus aber nicht zulassen, erklärt der bahrainische Politiker Ali Alaswad im Gespräch mit der DW. Alaswad hatte sein Mandat im Februar 2011 aus Protest gegen die Zerschlagung der friedlichen Demokratiebewegung niedergelegt. Der Grund für den mangelnden Reformwillen sei klar: "Wenn wir sagen, dass sie ihre Macht teilen soll, dann diskutieren wir automatisch über die Stellung der Monarchie. So aber regiert eine einzige Familie das ganze Land."

Karte Bahrain

Diese Familie sieht sich nun zwei Herausforderungen gegenüber: den – gemäßigten – Forderungen der bahrainischen Schiiten und der Kriegserklärung durch den Islamischen Staat. Wie ernst diese zu nehmen ist, hatte zuletzt Bahrains Schutzmacht und engster Partner, Saudi-Arabien, erfahren müssen. Anfang Januar hatten IS-Dschihadisten von irakischem Gebiet aus zwei saudische Grenzbeamte getötet. Nun steht auch Bahrain im Visier des IS. Gegen ihn wird sich die Königsfamilie zu verteidigen versuchen. Das gelänge ihr leichter, wenn sie die Bevölkerung vereint und loyal hinter sich wüsste.