1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Nach dem Boom

2. Dezember 2009

Der deutsche Galerist Leo König galt als Symbolfigur des New Yorker Kunst-Booms. Er inszenierte sich als extravaganter Draufgänger - doch was kommt nach dem Boom? Porträt eines in sich gekehrten Galeristen.

https://p.dw.com/p/KnQ5
Bis 23. Dezember stellt König Nicole Eisenmann aus. Im Hintergrund: 'Biergarten Ulrike und Celeste' (Foto: Aarni Kuoppamäki)
Leo KönigBild: Aarni Kuoppamäki

"Es geht um die gesellschaftliche Obsession mit Glück", sagt Leo König. Der 32-Jährige steht in seiner Galerie im New Yorker Stadtteil Chelsea und interpretiert seine aktuelle Ausstellung von Nicole-Eisenmann-Gemälden. Diese zeigen Menschen, die in Biergärten sitzen und trinken. Auf einem der Gemälde ist auch Leo König abgebildet, Arm in Arm mit dem Maler Tom Sanford. Nicole Eisenmann zeigt den Rauschzustand der New Yorker vor der Wirtschaftskrise. "Ich kenne das Gefühl", sagt König. "Alles ist wohl, alles ist wunderbar, alles ist rund. Aber man weiß genau wir stehen kurz vor dem Absturz."

Schlägerei in Öl und Acryl

In der aktuellen Ausstellung gehe es um 'die gesellschaftliche Obssession mit Glück', sagt König. (Foto: Aarni Kuoppamäki)
Aktuelle Ausstellung: 'Die gesellschaftliche Obssession mit Glück'Bild: Aarni Kuoppamäki

Der Balanceakt beginnt 1999. Im Alter von 21 Jahren eröffnet Leo König seine erste Galerie. Zwei Jahre zuvor ist er aus Deutschland, wo sein Vater das Kölner Museum König leitet und der Onkel Kunstbücher verlegt und vertreibt, in seine Geburtsstadt New York zurückgekehrt. Von Anfang an verbindet ihn ein enges, freundschaftliches Verhältnis zu seinen Künstlern. Nicole Eisenmann zum Beispiel lernt er im Jahr 2000 kennen. Heute sind die beiden in derselben Triathlon-Mannschaft und nehmen gemeinsam an Wettkämpfen teil. Die Freundschaften zu den Künstlern seien im Geschäftsleben "manchmal sehr hinderlich", sagt König. Immerhin solle man sie als Galerist "objektiv" betreuen, und es sei nun mal "nicht immer alles gut und genial". Oft beschneide er seine Händler-Marge, um einen Freund mit einem Verkauf zu unterstützen.

Die Künstler haben einen großen Anteil an Königs kometenhaftem Aufstieg Anfang des neuen Jahrtausends. "Wir haben uns zusammengesetzt und geplant: Wie bringen wir uns in die Öffentlichkeit?", erzählt König. "Wie wird man aufmerksam auf mich? Und auf Euch, die Künstler?" Und dann habe man gemeinsam "aus allen Registern geblasen". Schnell schafft sich König einen Ruf als junger, wilder Galerist aus Deutschland – mit Partys, Bier und sogar einer Kneipenschlägerei, die Tom Sanford später in Öl und Acryl festhält. Unter dem Gemälde steht geschrieben: "Der wackre Leo König verteidigt die Ehre von Debora Warner, indem er auf den Halunken Richard Acerbeek einprügelt."

Rinderfarm und Katzen-Hüter

Leo König ist gerade Mitte 20, da kennt jeder in der New Yorker Kunst-Szene seinen Namen. Heute Paris, morgen Tokyo – er trifft Kunden in aller Welt, verkauft Kunst im Wert von Millionen. Im Jahr 2006 gar die gesamte Sammlung des Malers und Bildhauers Georg Baselitz – und sein Schloss Derneburg gleich dazu. Leo König wird zur Symbolfigur des New Yorker Kunst-Booms. Große Zeitungen und Zeitschriften porträtieren ihn ausschweifend als extravaganten Draufgänger, der eine Rinderfarm besitze und einen Cat-Sitter - einen Katzen-Hüter - beschäftige.

Königs mittlerweile vierte Galerie liegt auf Manhattans 23. Straße im Stadtteil Chelsea (Foto: Aarni Kuoppamäki)
Königs Galerie im Stadtteil ChelseaBild: Aarni Kuoppamäki

Zeitsprung ins Jahr 2009: In New York herrscht die Wirtschaftskrise. Die Symbolfigur des ehemaligen Booms will von den Extravaganzen nichts wissen. Die Rinderfarm sei ein absolut heruntergekommenes Bauernhäuschen, in dem König seine Sommer verbringe. Weder sei es eine Farm, noch gebe es dort Kühe. Woher das Gerücht mit dem Cat-Sitter gekommen sei, kann er sich nicht erklären. Natürlich habe er die Medien bespielt und die Gerüchte über Jet-Set und Draufgängertum geschürt. Aber nach zwölf Jahren in New York schmunzle er über seine alten Aussagen und die Fehler, die er gemacht habe. Und dennoch hafte das alte Image an ihm. Die wilden Geschichten sind im Internet nur einen Mausklick weit entfernt.

Keine Vergleiche mehr

Die einzige Extravaganz, die er sich heute leiste, sei die Zeit, die er sich für seine Gesundheit nehme. Seit ein paar Jahren betreibt er aktiv Triathlon. Jeden Morgen, bevor er die Galerie aufschließt, trainiert er drei Stunden. Er reist nun weniger, konzentriert sich auf New York. Gerade hat König in eine zweite Galerie investiert, denn die Mieten sind günstig. Gewinn werde er deshalb in diesem Jahr kaum machen, glaubt König. Umsatzeinbußen erwarte er jedoch nicht. Im Grunde habe er das Ende des New Yorker Kunst-Booms als "Erleichterung" empfunden, sagt er. "Endlich konnte ich aufhören, mich ständig vergleichen zu müssen."

Zum Sinneswandel verleitete König auch das Echo auf seine Außendarstellung. Als das Magazin New Yorker ihm einen rund zehnseitigen Artikel widmete, sei ihm "wahnsinniger Neid" und "teilweise blinder Hass" entgegengeschlagen. Diese Erfahrung habe ihn schockiert, und er habe aus ihr gelernt. Er sei ruhiger geworden. Doch das Exzentrische, Impulsive, schlummert unter der Oberfläche.

Langzeitziele als Galerist habe er nicht, sagt König. Was zähle, sei die aktuelle Nicole-Eisenmann-Ausstellung. Immer wieder zweifle er gar daran, ob seine Geschäftstüchtigkeit auf einem anderen Gebiet nicht besser aufgehoben wäre. Jeden Morgen habe er beim Aufwachen eine andere Idee, was er aus seinem Leben machen könne. Galerist sei er aus Liebe zur Kunst, aber er sei kein Sammler. "Ich verkaufe Kunst, ich bin Geschäftsmann. Kunstliebhaber – sind wir das nicht alle?"

Autor: Aarni Kuoppamäki

Redaktion: Petra Lambeck