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Balkenende macht Irak-Rückzieher

14. Januar 2010

Die niederländische Koalitionsregierung hat ihren Zusammenbruch im Streit um den Irak-Krieg abgewendet. Ministerpräsident Balkenende räumte ein, die Invasion von 2003 sei völkerrechtlich fragwürdig gewesen.

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Ministerpräsident Balkenende (Foto: dpa)
Probleme mir seiner Rolle im Irak-Krieg: der niederländische Regierungschef BalkenendeBild: picture-alliance/ dpa

In einem aktuellen Brief an das Parlament in Den Haag schwächte der christdemokratische Ministerpräsident seine zunächst überaus scharfe Kritik an den Ergebnissen einer Untersuchungskommission zum Krieg am Golf deutlich ab. Die rechtliche Grundlage für den Krieg sei "bei jetzigem Kenntnisstand" zu schwach gewesen, schrieb Ministerpräsident Jan Peter Balkenende. Das Kabinett werde seine Lehren daraus ziehen.

"Mit einem Fuß im Grab"

Stürzende Saddam-Statue in Bagdad (Foto: AP)
Reichte der Sturz Saddams als Kriegsgrund aus?Bild: AP

Kurz zuvor waren die drei Koalitionsparteien zu einem Krisengespräch zusammengekommen. Die sozialdemokratische Arbeitspartei hatte sich über die ursprüngliche Kritik Balkenendes an den Ergebnissen des so genannten Davids-Berichtes empört. Sie hatte sich - damals in der Opposition - gegen den Irak-Krieg ausgesprochen. Für den dritten Koalitionspartner, die Christenunion, sagte Arie Slob am Donnerstag (14.01.2010), der Brief habe deutlich gemacht, dass das Kabinett den Bericht der Kommission ernst nehme. Der Oppositionspolitiker Geert Wilders von der antiislamischen Partei beharrte darauf, dass die Regierung "mit einem Fuß im Grab" stehe und rief Balkenende zum Rücktritt auf.

Dieser hatte über Jahre eine immer wieder geforderte Untersuchung der niederländischen Rolle bei Ausbruch des Krieges abgelehnt und ihr schließlich nur unter dem Druck der Öffentlichkeit zähneknirschend zugestimmt. Die Kommision bemängelte vor allem Balkenendes Umgang mit einem Geheimdossier, in dem Experten des Außenministeriums vor einem Angriff auf den Irak wegen völkerrechtlicher Bedenken gewarnt hatten.

Stillhalten für einen Prestigeposten?

Jan de Hoop Scheffer (Foto: AP)
Seine Rolle als niederländischer Außenminister kritisierte eine Untersuchungskommission: De Hoop SchefferBild: AP

Der niederländische Regierungschef, so der Vorwurf, habe den Umgang mit dem brisanten Papier fast vollständig seinem damaligen Außenminister und Parteifreund Jaap de Hoop Scheffer überlassen. Der wurde wenig später NATO-Generalsekretär. Vermutungen, wonach De Hoop Scheffer von den USA für sein Stillhalten mit dem prestigeträchtigen NATO-Chefposten belohnt worden sei, wollte die Untersuchungskommission allerdings nicht bestätigen. Auch Wirtschaftsinteressen hätten für die Niederlande bei der Unterstützung der Invasion vermutlich keine Rolle gespielt.

In dem 550-seitigen Bericht, dessen Übergabe das niederländische Fernsehen live übertragen hatte, wurde der Regierung dagegen eine mangelhafte Information des Parlaments über US-Bitten um Unterstützung der Kriegsplanungen vorgeworfen. Erkenntnisse der Geheimdienste seien nur bruchstückhaft herausgegeben worden.

Autor: Gerd Winkelmann (apn, rtr, dpa)

Redaktion: Dirk Eckert