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Banca Schizophrenia

Rolf Wenkel4. November 2014

Die Europäische Zentralbank wird ab Dienstag nicht nur Stabilitätswächterin, sondern auch Bankenaufseherin sein. Da sind Interessenkonflikte programmiert, meint DW-Redakteur Rolf Wenkel.

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Euro Schulden Symbolbild
Bild: rangizzz - Fotolia

Am heutigen Dienstag übernimmt die Europäische Zentralbank die Aufsicht über die 120 wichtigsten Banken im Euroraum. Eine Aufgabe, für die sie nicht konstruiert worden ist und die niemals in ihren Gründungsstatuten gestanden hat. Seit klar ist, dass die Frankfurter Währungshüter auch zu Bankenaufsehern werden, also seit gut zwei Jahren, warnen Ökonomen unermüdlich davor, dass die EZB damit in einen Zielkonflikt geraten könnte. Und zwar dann, wenn ihr Aufsichtsmandat ihre geldpolitischen Entscheidungen beeinflussen könnte und damit ihr eigentliches Ziel, die Preisstabilität, womöglich aufgeweicht würde.

Ein typisch deutscher, weil ziemlich trockener und akademischer Streit, möchte man meinen. Denn wo bitteschön ist im Euroraum die Preisstabilität in Gefahr? Auch wenn viele Deutsche auf die EZB schimpfen: Sie hat den Euro, seit er gesetzliches Zahlungsmittel geworden ist, stabiler gehalten als es die Deutsche Bundesbank mit der D-Mark jemals geschafft hat. Zudem unterschreitet die EZB momentan ihr selbst gestecktes Inflationsziel von knapp unter zwei Prozent deutlich, denn in einigen Ländern des Südens sind sogar deflationäre Tendenzen sichtbar. Was übrigens zu begrüßen ist, weil es zeigt, dass diese Länder auf dem Weg sind, ihre Wettbewerbsfähigkeit wieder zu erlangen.

Porträt - Rolf Wenkel
Rolf Wenkel aus der WirtschaftsredaktionBild: DW

Wozu also dieser Streit, wozu die Forderung, Geldpolitik und Bankenaufsicht institutionell voneinander zu trennen? Ganz einfach: Weil dieser Streit nicht nur ein akademischer ist, gepflegt von einigen spinnerten Prinzipienreitern, sondern weil der Interessenkonflikt zwischen Aufsicht einerseits und Geldpolitik und allem, was die EZB am Rande ihres Mandats noch so treiben mag, sehr konkrete Auswirkungen haben kann.

So ist die EZB als Notenbank stark daran interessiert, dass die Geschäftsbanken ihre Kreditvergabe an die Wirtschaft ausweiten, weil das der Konjunktur einen Impuls geben könnte. Andererseits ist die EZB als Bankenaufseherin stark daran interessiert, dass die Banken ihre Ausstattung mit Eigenkapital, genauer: die Relation von Eigenkapital zu Risiken verbessern. Das tun sie, indem sie ihre Risiken vermindern. Risiken vermindert man aber, indem man bei der Kreditvergabe sehr restriktiv verfährt. Ein klassischer Zielkonflikt.

Zudem ist es durchaus vorstellbar, dass die EZB als Zentralbank im Rahmen ihrer Politik der quantitativen Lockerung den Banken, darunter womöglich auch solchen in Schieflage, Wertpapiere abkauft und dadurch verhindert, dass der Markt um eigentlich nicht lebensfähige Institute bereinigt wird, woran die EZB als Bankenaufsicht im Interesse einer gesunden Bankenlandschaft aber interessiert sein müsste.

Außerdem ist klar, dass jede geldpolitische Entscheidung, also das Anheben oder Senken der Zinsen für die Refinanzierung, unmittelbare Auswirkungen auf die Ertragslage der Geldhäuser haben wird, die von der Bankenaufsicht überwacht werden.

Über die Geldpolitik, das ist hinlänglich bekannt, entscheidet der Zentralbankrat in Frankfurt. Und so weise, wie unsere Politiker nun mal sind, wird sich der Zentralbankrat in dieser Sitzung auch weiterhin nicht mit Angelegenheiten der Bankenaufsicht beschäftigen. Nein, dazu wird an einem anderen Tag eine neue Sitzung einberufen. Dann ziehen sich exakt die gleichen Mitglieder des Zentralbankrates einen anderen Hut auf und spielen Bankenaufseher. Eine tolle Lösung.

Banca Schizophrenia könnte man das nennen. Die EZB betont freilich, dass die Säulen Bankenaufsicht und Geldpolitik personell und sachlich getrennt seien und sich nur an der Spitze berühren. Eben das ist das Problem, möchte man erwidern. Denn ein Fisch fängt bekanntlich zuerst vom Kopf her an zu stinken.