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Jute als Krisenbarometer

21. März 2009

In Bangladesch zeigen sich bereits erste Auswirkungen der Krise: die globale Nachfrage nach Jute, einem der wichtigsten Exportgüter ist eingebrochen - mit weit reichenden Konsequenzen für das südasiatische Land.

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Bauern transportieren Jute-Fasern per Boot (Foto: DPA)
Bauern transportieren Jute-Fasern per Boot. Doch es gibt immer immer weniger AbnehmerBild: picture-alliance/ dpa

Bangladesch ist weltweit der größte Produzent von Jutefasern. Rund 85 Prozent wird exportiert, entweder als Rohprodukt oder verarbeitet zu Taschen, Säcken oder Teppichen. Zusammen mit Textilien und Lederwaren ist Jute eines der wichtigsten Exportgüter des Landes. Allein die drei Exportgüter sorgen für rund vier Fünftel der Deviseneinnahmen. Doch seit Herbst 2008 ist die Nachfrage nach Jute stark zurückgegangen, klagt Ebari Khan vom Verband der Jutespinnereien in Bangladesch. So weigerten sich Amerikaner, Australier und die meisten anderen Kunden, die Produkte abzunehmen. "Sie sagen uns immer, bitte streichen, streichen, streichen."

Eine Frau trägt in jeder Hand einen Jute-Sack (Foto: DPA)
Ein Symbol für umweltbewusstes Verhalten: Jute-SäckeBild: picture-alliance/ dpa

Die Konsequenzen: Die Jutespinnereien des Landes mussten ihre Produktion um bis zu 40 Prozent zurückfahren. Viele haben die Arbeit ganz eingestellt. Rund 30.000 Beschäftigte verloren ihre Arbeit. Inzwischen, so Khan, gehe bei allen Arbeitern die Angst um: "Sie glauben, wenn die Regierung nicht ein Maßnahmenpaket verabschiedet um ihre Industrie zu schützen, dann werden alle Unternehmen bald schließen müssen." Mit einem Schlag würden dann rund zwei Millionen Menschen ihre Arbeit verlieren. Ein ähnliches Schicksal droht auch den rund 2,5 Millionen Beschäftigten in der Bekleidungsindustrie, wenn die Abnahmequoten weiter zurückgehen.

Zahl der Arbeitsmigranten rückläufig

Auch eine andere entscheidende Devisenquelle ist in Gefahr: die Überweisungen der Arbeitsmigranten. In den vergangenen Jahren sind Millionen Menschen nach Saudi-Arabien, Malaysia oder Hongkong ausgewandert, um dort Arbeit zu finden. Ihre Gelder halfen nicht nur den Familien zu Hause, sondern hielten auch die Wirtschaft des Heimatlandes in Schwung.

Ein indonesischer Gastarbeiter auf einem Teefeld in Malaysia (Foto: DPA)
Ein indonesischer Gastarbeiter auf einem Teefeld in MalaysiaBild: picture-alliance/ dpa

Doch das könnte sich nun ändern, meint Uttam Kumar Deb, Wirtschaftsexperte beim Forschungsinstitut "Centre for Political Dialogue" in Bangladeschs Hauptstadt Dhaka. In diesem Jahr habe die Zahl der Menschen abgenommen, die zum Arbeiten ins Ausland gingen. So habe vor kurzem die Regierung Malaysias entschieden, 55.000 Visa-Anträge auf Eis zu legen oder zurückzunehmen. "Das", so Kumar Deb, "wird eine negative Auswirkung auf unseren heimischen Arbeitsmarkt haben. Denn nun kommt hier zusätzlich eine große Zahl Arbeitssuchender auf den Markt und wir haben keine angemessenen Angebote."

Domino-Effekt

Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) hatte kürzlich auf die dramatischen Auswirkungen der weltweiten Rezession auf Entwicklungsländer hingewiesen. ADB-Direktor Ashok Sharma warnte im australischen Rundfunk, dass sich dort die Krise sofort auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar mache: "Wenn Arbeitsplätze verloren gehen, dann hat das einen Domino-Effekt in allen Bereichen bis nach ganz unten. Dann können die Kinder nicht zur Schule gehen, weil das Geld fehlt. Wenn die Kinder nicht zur Schule gehen, werden die Schulen geschlossen und die Lehrer verlieren ihren Job."

Die ADB empfehle deshalb Arbeitsplatzbeschaffungs-Programme. Dadurch werde denjenigen geholfen, die am stärksten betroffen seien. Zunächst müsse der Verlust von Arbeitsplätzen gestoppt werden, so Ashok Sharma, dann könne man den Finanzsektor reformieren.

Suche nach geeigneten Maßnahmen

ADB-Präsident Haruhiko Kuroda hält die linke Hand hinter sein Ohr (Foto: DPA)
Auch die ADB, hier Präsident Kuroda, warnt vor Auswirkungen der FinanzkriseBild: picture-alliance/ dpa

Die Beschäftigten der Juteindustrie haben sich bereits mit Empfehlungen an die Regierung gewandt, um den drohenden Verlust ihrer Arbeitsplätze abzuwenden. Wirtschaftsexperte Uttam Kumar Deb schlägt vor, dass Bangladesch, um konkurrenzfähig zu sein, gezielte Investitionsanreize ebenso braucht wie ein Maßnahmenpaket zur Ankurbelung der Konjunktur. Nötig sei "ein integratives Programm, das eine Balance herstellt zwischen Produktivitätssteigerung und der Schaffung von Arbeitsplätzen einerseits und einem sozialen Sicherheitsnetz andererseits."

So könnten sowohl die Berufstätigen als auch diejenigen abgesichert und aus der Armut herausgeführt werden, die keine Möglichkeit zur beruflichen Entfaltung hätten. Noch denkt die Regierung über Maßnahmen nach. Doch Experten fürchten: wenn sie nicht bald handelt, dann steht nicht nur die wirtschaftliche Zukunft, sondern auch die soziale Stabilität des Landes auf dem Spiel.

Autorin: Ana Lehmann

Redaktion: Beatrice Warken